Ein chaldäischer Geistlicher feiert in einer Kirche eine Messe

Chaldäer in NRW feiern Ostern

Tradition in neuer Heimat pflegen

Stand: 07.04.2009, 14:14 Uhr

Im Irak werden sie verfolgt, in Deutschland können sie ihren Glauben endlich wieder offen leben: Eine große Gemeinde chaldäisch-katholischer Christen bereitet sich in Essen auf das Osterfest vor. Ein Balanceakt zwischen Integration und Tradition.

Von Christian Herrmanny

Der Gesang des Priesters klingt ein wenig so, wie der Ruf eines Muezzin, immer wieder ist auch das Wort "Allah" zu hören. Aber: Nicht in einer Moschee, sondern in einer katholischen Kirche wird hier gebetet - in Aramäisch und Deutsch. Jeden Sonntag kommen Christen der chaldäisch-katholischen Gemeinde aus halb Nordrhein-Westfalen in Essen-Katernberg zusammen, um gemeinsam Gottesdienst zu feiern. In ihrer Heimat war das so nicht möglich: Chaldäer werden im Irak häufig verfolgt und unterdrückt. Deshalb finden sie als Flüchtlinge nun in Deutschland eine neue Heimat. "In den letzten Jahren bin ich oft nicht in der Kleidung eines Priesters vor die Tür gegangen - aus Angst, verschleppt zu werden", erzählt der chaldäische Pfarrer Sami Danka. Acht Tage lang hatten ihn Entführer in ihrer Gewalt, seit knapp zwei Jahren lebt der Priester nun in Essen - und in Sicherheit.

Priester müssen um ihr Leben fürchten

Das Bistum Essen unterstützt die chaldäisch-katholische Gemeinde seit Jahren. Es half bei der Gemeindegründung, stellte eine nicht mehr genutzte katholische Kirche einschließlich des Gemeindehauses zur Verfügung. "Unser Patriarch hat mich hierher bestellt. Essen ist mein neues Zuhause", sagt Pfarrer Danka. Zwar mache ihm das Wetter ein wenig zu schaffen, doch im Gegensatz zu seinen Amtsbrüdern im Irak müsse er nun nicht mehr um sein Leben fürchten. Rund 900 Gemeindemitglieder zwischen Mönchengladbach, Bonn und Soest betreut der 42-Jährige. Als Katholiken besuchen sie auch die Gottesdienste an ihren Wohnorten, doch die Messe in Aramäisch nach dem vertrauten Ritus - das ist vielen besonders wichtig, dafür nehmen sie auch lange Anfahrtswege nach Essen in Kauf.

Die Wurzeln wahren

Chaldäisch-katholische Gemeinden gibt es außer im Irak auch in Syrien, der Türkei, in Ägypten oder Jordanien. Ihr Kirchenoberhaupt, der Patriarch von Babylon, sitzt in Bagdad. Darüber erkennen die Chaldäer auch den Papst voll an. Emigriert sind die chaldäischen Christen nach Frankreich, in die USA und eben auch nach Deutschland. "Unsere Kirche ist sehr alt, sie geht direkt auf die Jünger Jesu zurück", erklärt Sami Danka. Deshalb wird in den Gottesdiensten vor allem Aramäisch gesprochen, die Sprache Jesu. Damit aber wirklich alle Gemeindemitglieder die Texte verstehen, lesen die Lektoren auch in arabisch - und in deutsch. Vieles haben die Chaldäer von den Juden übernommen, die alten Traditionen wollen sie beibehalten. Trotzdem sind sie um Integration sehr bemüht. "Natürlich unterscheiden sich unsere Sprache und unsere Kultur", sagt Gemeindemitglied Seman Adem. "Aber wir übernehmen die Kultur hier und wollen sie lernen."

Kein Ghetto bilden

Die Verfolgung der Chaldäer im Irak, wo das einzige Priesterseminar für rund eine Million Gläubige in Nahost, Europa und Nordamerika steht, hat zu einem enormen Priestermangel geführt. Wenn die chaldäischen Katholiken in Nordrhein-Westfalen zu hohen Festtagen mit einem ihrer Priester Gottesdienst feiern wollten, musste dieser eigens nach Deutschland fliegen. Seitdem Sami Danka in Essen wohnt, ist die Situation erheblich komfortabler. "Für ein Zentrum mit einem eigenen Pfarrer haben wir hier viele Jahre gearbeitet", erzählt Gemeindemitglied Seman Adem. "Nicht um hier ein Ghetto zu bilden, sondern um ein Beispiel zu geben, was wir für Menschen sind."

Glauben offen leben können

Das bevorstehende Osterfest ist für die 900 Chaldäer der weit verstreut lebenden Essener Gemeinde etwas ganz besonderes: Im eigenen Gotteshaus, mit einem engagierten Gemeindepfarrer und ohne Angst vor Misshandlung und Folter, die so viele Menschen aus ihrer Heimat haben fliehen lassen. In Essen können die als besonders fromm geltenden chaldäischen Katholiken ihre besonderen Gottesdienste wieder ohne Probleme feiern. Und sie wollen das auch weiterhin in den althergebrachten Riten tun: Mit Ostereiern beispielsweise, aber ohne Osterhasen. Gemeindemitglied Seman Adem: "Ich werde nie einen anderen Glauben haben. Wenn ich den aufgeben würde, dann hätte ich ja auch in der Heimat bleiben können. Dann hätte ich ja dort keine Probleme gehabt."