Interview mit WDR-Moderatorin Asli Sevindim
"Es gibt kein Wir und Die"
Stand: 20.11.2006, 06:21 Uhr
"Ich wache nicht auf und denke: Huch, ich bin Türkin!", sagt Asli Sevindim. Viele Fernsehzuschauer merken das erst an ihrem Namen. Die 32-Jährige ist die erste türkische Moderatorin der Aktuellen Stunde. Ende November (23./24.11.2006) moderiert sie die Medienkonferenz.
Asli Sevindim wurde als Tochter türkischer Eltern in Duisburg geboren. Die 32-jährige Muslimin ist mit einem Deutschen verheiratet und türkische Staatsbürgerin ("Noch - ich bin in Papierdingen einfach furchtbar unfähig"). Für den WDR arbeitet sie seit 1999: Als Autorin und Moderatorin für die Frühsendung Cosmo von Funkhaus Europa, Venus FM auf WDR 5 und seit 2004 als Moderatorin bei Cosmo TV. Seit Februar 2006 moderiert Asli Sevindim gemeinsam mit Martin von Mauschwitz die Aktuelle Stunde.
Die Duisburgerin, die von Integrationsminister Armin Laschet in den Integrationsbeirat der NRW-Landesregierung berufen wurde, ist am 23. und 24. November eine der Moderatorinnen der von WDR, ZDF und France Télévisions einberufenen Medienkonferenz in Essen.
WDR.de: Glauben Sie, dass Sie auch mit Kopftuch die Aktuelle Stunde moderieren dürften?
Asli Sevindim: Ganz klar nein. Das Kopftuch ist ja ein insgesamt sehr umstrittenes Symbol, weil es unterschiedliche Lesarten gibt. Die einen meinen, es ist ein religiöses Symbol, die anderen halten es für ein politisch aufgeladenes Symbol - das wäre ein viel zu strittiges Thema, und deshalb kann ich mir das absolut nicht vorstellen.
WDR.de: Wäre es denn wünschenswert?
Sevindim: Ich habe überhaupt kein Problem mit dem Kopftuch, in meiner Familie tragen mehrere Frauen Kopftuch. Die verstehen das als Bekleidungstradition und fühlen sich dazu nicht gedrängt oder gezwungen. Ich finde es grundsätzlich wünschenswert, dass jeder Mensch seinen Vorstellungen entsprechend leben kann, wenn es eine gemeinsame Grundlage gibt. Wenn sich alle auf dem Boden der Verfassung und der Gesetze bewegen, sollte es auch möglich sein, sich bekleidungstechnisch religiös äußern zu dürfen.
WDR.de: Sie sind Mitglied im Integrationsbeirat des Landes NRW, Sie moderieren die Medienkonferenz zum Thema Integration, in der Aktuellen Stunde sind Sie die erste türkische Moderatorin - fühlen Sie sich da nicht manchmal als so eine Art Berufs-Türkin?
Sevindim: Es ist ja nicht so, dass ich morgens aufwache und denke: Huch, ich bin Türkin! Man wird teilweise von außen zu etwas gemacht. Natürlich ist es für viele spannend, dass jetzt plötzlich eine Türkin die Aktuelle Stunde moderiert. Aber für mich war das eigentlich ein ganz normaler Werdegang. Ich habe schon als Schülerin den Bürgerfunk für mich entdeckt, über das Interesse an Politik und Sozialem kam dann die Entscheidung, in den Journalismus zu gehen - völlig unabhängig von meiner ethnischen Herkunft. Dass es relativ wenige Einwanderer in diesem Bereich gibt, hat ja eine ganz natürliche Ursache: Viele Einwanderer, die nach Deutschland gekommen sind, kamen eher aus bildungsfernen Schichten, das waren vor allem Arbeiter. Da dauert es natürlich, bis die Kinder diesen sozialen Aufstieg machen und zum Beispiel in akademische Berufe gehen.
WDR.de: Erleichtert ein Migrationshintergrund die Karriere - oder ist er ein Hindernis
Sevindim: Ich glaube, dass grundsätzlich allein die Leistung zählt. Weder Macher noch Betroffene haben etwas davon, wenn jemand nur aufgrund seiner ethnischen Herkunft in einen Job gehievt wird. Wenn ich mir aber beispielsweise als Fachgebiet das Thema Integration suche, ist es natürlich hilfreich, wenn ich über diesen Hintergrund verfüge. Oder wenn sich der Sender neue Zuschauerschichten erschließen möchte - zum Beispiel Migranten - dann spielt das natürlich wieder eine Rolle. Es kommt immer darauf an, welches Profil da gerade gesucht ist.
WDR.de: Im Vorfeld zur Medienkonferenz hat WDR-Intendant Fritz Pleitgen unter anderem mehr sichtbare Integration in den Medien gefordert. Glauben Sie, dass die TV-Präsenz von Einwanderern Integration erleichtert?
Sevindim: Ich glaube, dass es ganz wichtig ist, dass Einwanderer in den Medien nicht nur als Problemfälle oder defizitäre Wesen auftauchen, wie es leider oft in unserer Berichterstattung geschieht - einfach, weil wir meist problemorientiert berichten. Natürlich ist es von Belang, wenn ich sehe: Da kann mir auch jemand aus einer Einwandererfamilie ganz normal die Nachrichten vermitteln oder die Sportergebnisse vortragen oder eine Unterhaltungssendung moderieren. Warum auch nicht? Das spiegelt ja auch die Normalität in unserer Gesellschaft wider.
Genauso wichtig ist die Mitarbeit hinter den Kulissen in den Redaktionen, weil hier der Blick für verschiedene Themen geschärft und eine ganz andere Perspektive reingebracht werden kann. Wenn wir zum Beispiel über Klischees und Vorurteile sprechen, dann ist es doch nicht verkehrt, wenn jemand in der Redaktion genau die Menschen vertritt, über die man berichtet.
WDR.de: Ende des Jahres soll zum ersten Mal der Integrationsbeirat des Landes NRW zusammenkommen, in den auch Sie berufen wurden. Was versprechen Sie sich von diesem Gremium?
Sevindim: Der Beirat ist ja sehr vielfältig zusammengesetzt - da ist vom Literaten über den Rechtsanwalt bis zum Journalisten und Politiker alles vertreten. Und das ist gut so, weil es genau die Vielfalt der Menschen widerspiegelt. Gerade in der Integrationspolitik sollte man auch einfach mal mit den Leuten sprechen, um die es geht. Ich hoffe, dass diese Arbeit Anregungen und Informationen aus dem Alltag gibt, die dann in konkrete Politik umgesetzt werden können.
WDR.de: Integrationsbeirat, Medienkonferenz - wo steht NRW in Sachen Integration?
Sevindim: Grundsätzlich glaube ich, dass wir auf einem guten Weg sind. Aber es ist längst überfällig, dass da langsam mal Sinn und Programm reinkommt. Dass wir vieles versäumt haben, merken wir gerade an der dritten Generation, an unseren Kindern und Jugendlichen. Hier kommt es darauf an, dass man mit Verständnis an die Sache herangeht, also nicht mit erhobenem Zeigefinger: Ihr habt Euch keine Mühe gegeben, ihr habt euch verweigert. Das stimmt einfach nicht. Das, was auf Seiten der Einwanderer geleistet wurde, muss anerkannt werden. Ganz lange gab es überhaupt keine Integrationspolitik, heute haben wir Ansätze davon. Ich finde, da ist noch ganz viel nachzuholen, vor allen Dingen, was das Bewusstsein angeht: Wir sind eine Gesellschaft. Es gibt kein Wir und Die. Die Medien haben hier ganz viele Möglichkeiten - und sie haben auch die Verantwortung.
Das Gespräch führte Silke Wortel.