Freiwillige vortreten!
Bundeswehr sucht Personal
Stand: 01.07.2011, 06:00 Uhr
Die Bundeswehr soll schrumpfen, ab dem 1. Juli dienen nur noch Freiwillige. Männer und erstmals auch Frauen ab 17 können sich bis zu 23 Monate für den neuen freiwilligen Wehrdienst verpflichten. Doch wer will jetzt noch zum Bund?
Von Ilka Platzek
"Planen Sie ihre Zukunft mit uns", lockt ein Plakat im Kreiswehrersatzamt Dortmund. Afghanistan und die dort lauernden Gefahren sind weit weg. Im Dortmunder Kreiswehrersatzamt werden täglich zehn bis 15 Personen gemustert. Etwa genauso viele lassen sich erst einmal beraten. Im Wartebereich des Kreiswehrersatzamtes sitzt Pascal Ronnsick, ein 18-jähriger Gymnasiast. Er hat schon ganz konkrete Vorstellungen: "Erst kommt der freiwillige Dienst. Elf Monate will ich machen, damit ich dann weiß, was auf mich zukommt. Und wenn es mir gefällt, dann würde ich mich verpflichten lassen. Wenn's geht, bis ich in Rente gehe."
Flexibilität wird erwartet
Maren Neumann zivil
Die 19-jährige Abiturientin Maren Neumann ist die erste Frau, die sich in Dortmund für den freiwilligen Wehrdienst bewirbt. Sie möchte später bei der Bundeswehr studieren. "Man hat eine gute Karrierechance, man wird unter Umständen übernommen und es gibt gute Verdienstmöglichkeiten", schildert sie ihre Motivation. "Auf der anderen Seite ist es 'Krieg' und 'Armee'. Das darf man nicht vergessen. Es kann durchaus sein, dass man in einen Auslandseinsatz kommt. Nach der Grundausbildung ist man Soldat, auf kurze Zeit, aber Soldat." Ihr Gesprächspartner im Kreiswehrersatzamt ist Thorsten Rotzoll. Der Wehrdienstberater nimmt sich für jeden Bewerber mindestens eine Stunde Zeit. Sein Job ist es, neben den Vorzügen seines Arbeitgebers auch die Anforderungen an die Freiwilligen ganz klar zu definieren. "Wir erwarten viel Engagement. Die Leute müssen flexibel und mobil sein, weil die Standorte über das ganze Land verteilt sind. Außerdem muss jeder, der sich bewirbt, damit rechnen, dass er für vier bis sechs Monate in den Auslandseinsatz geschickt wird."
Maren Neumann hat ihre Wahl getroffen. Sie verpflichtet sich zunächst nur für 12 Monate als Freiwillige. In dieser Zeit will sie sich die Truppe erst einmal von innen angucken. "Danach will ich mich entscheiden, ob ich an einer freien Universität oder bei der Bundeswehr studiere. Das wäre eigentlich ganz sinnvoll, weil man gleichzeitig Geld bekommt und freie Kost und Logis. Andererseits muss man sich dann 12 oder 13 Jahre verpflichten. Das ist schon eine lange Zeit, wenn man sieht, wie instabil die politische Lage ist."
Die Bundeswehr als Arbeitgeber
Pascal Ronnsick
Längst nicht alle machen sich so viele Gedanken wie die Abiturientin. Im Berufsinformationszentrum der Dortmunder Arbeitsagentur wird Wehrdienstberater Dirk Sorak von 20 jungen Leuten erwartet. In regelmäßigen Abständen informieren Zoll, Polizei und Bundeswehr hier über "Berufe in Uniform". Die Veranstaltung wird von Arbeitslosen mit Hauptschulabschluss, Realschülern, Gymnasiasten und junge Facharbeitern besucht. Manche haben ihre Mutter oder die Oma mitgebracht. Viele von ihnen bekommen glänzende Augen, wenn der Hauptfeldwebel aufzählt, was alles möglich ist bei der Bundeswehr: "Sie können hier studieren, eine Berufsausbildung machen oder im Rahmen der Verpflichtungszeit die schulischen Leistungen verbessern, um dann auch auf dem Ausbildungsmarkt wieder bessere Chancen zu haben."
Auch Dirk Sorak wiederholt ständig, dass Auslandseinsätze wahrscheinlich seien. Aber die meisten lassen sich davon nicht abschrecken. Von rund 230.000 auf etwa 170.000 Personen soll die Truppenstärke der Bundeswehr reduziert werden, dennoch stellt sie jedes Jahr 20.000 Menschen ein. Freiwillig Wehrdienstleistende verdienen "beim Bund" 800 bis 1.400 Euro netto, je nachdem, wie lange sie sich verpflichten. Hinzu kommen weitere Leistungen, darunter die kostenlose ärztliche Versorgung.
Auslandseinsätze sind kein Problem
Ein junger Arbeitsloser mit Hauptschulabschluss beteuert, "Söldner" werden zu wollen, korrigiert sich dann hastig auf "Soldat". Ein anderer, der 16-jährige Gymnasiast Stefan, will nach dem Abitur Medizin studieren, am liebsten auf Kosten der Bundeswehr. Er hofft, "dass es beim Bund auch spannend sein könnte, deswegen interessiere ich mich für das Studium als Zeitsoldat." 17 Jahre müsste er sich verpflichten und neben dem Studium auch eine Offiziersausbildung durchlaufen. Ein Einsatz in Kriegsgebieten, so der Wehrdienstberater, sei wahrscheinlich. Der Schüler reagiert gelassen. "Es kann überall was passieren, ob es jetzt hier in Deutschland ein einfacher Arbeitsunfall ist oder ob in Afghanistan oder wo auch immer was passiert."
Nachwuchssorgen? Fehlanzeige
Nach etwa zwei Stunden sind alle Fragen beantwortet. Der Wehrdienstberater ist zufrieden. Viele junge Leute waren ernsthaft interessiert am Arbeitgeber Bundeswehr. Allerdings hat sich kein einziger nach dem freiwilligen Wehrdienst erkundigt. "Vermutlich hat es sich noch nicht überall herumgesprochen, dass es den gibt. Ich kann nur sagen: Wir haben gut zu tun". Nachwuchssorgen gebe es nicht. Das sieht auch das Verteidigungsministerium so. Nach den Angaben der Behörde haben sich für den neuen Freiwilligendienst bereits mehr als 10.000 junge Menschen gemeldet, das Minimalziel von 5.000 ist bereits weit übertroffen. Auch der Bedarf an Zeitsoldaten von rund 16.000 in diesem Jahr sei bereits zu über 70 Prozent gedeckt.