Debatte um Braunkohle-Kraftwerke
Sollen die alten Dreckschleudern vom Netz?
Stand: 11.11.2014, 17:42 Uhr
Sie sind uneffektiv und verschmutzen die Umwelt. Sollen alte Kohlekraftwerke deshalb per Gesetz vom Netz genommen werden? Bundeswirtschaftsminister Gabriel ist dagegen. Und bekommt dafür Applaus aus der NRW-SPD. Die Grünen hingegen sind verstimmt.
Von Rainer Kellers
"Kluger Mann", twitterte NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD), als am Dienstagmorgen erste Meldungen über Sigmar Gabriels Kohle-Vorstoß zu lesen waren. In einem Positionspapier schreibt der Bundeswirtschaftsminister, dass er grundsätzlich an Kohlekraftwerken festhalten will. "Man kann nicht zeitgleich aus der Atomenergie und der Kohleverstromung aussteigen", heißt es in dem Papier, das dem WDR vorliegt. "Wer das will, sorgt für explodierende Stromkosten, Versorgungsunsicherheit und die Abwanderung großer Teile der deutschen Industrie."
Umweltministerin will die Klimaziele retten
Gabriel stellt sich damit scheinbar gegen seine Kabinettskollegin, Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD). Diese hatte sich vergangene Woche dafür ausgesprochen, Kohlekraftwerkskapazitäten abzubauen. Das wiederum war eine Reaktion auf den jüngsten Bericht des Weltklimarates, der die Klimaschutzziele Deutschlands in Gefahr sieht. Hendricks glaubt, das Ziel von 40 Prozent weniger CO2-Emmissionen bis 2020 sei trotzdem noch erreichbar. Dafür allerdings müssten die alten, besonders umweltschädlichen Kohlekraftwerke vom Netz. Anfang Dezember stellt Hendricks ihren Klimaschutzplan mit konkreten Maßnahmen vor. In dieser Gemengelage hat Gabriel nun sein Strategiepapier pro Kohle platziert. Seiner Meinung nach sollten die Energie-Unternehmen selbst entscheiden, ob und wann sie Kraftwerke schließen.
Viele Uralt-Kraftwerke in NRW
Dem Wortlaut nach hat Gabriel damit zwar nicht direkt Hendricks widersprochen. Schließlich hat die Umweltministerin auch nie grundsätzlich die Kohle in Frage gestellt. Die Botschaft aber ist unmissverständlich: Staatlich verordnete Kraftwerksschließungen wird es mit ihm nicht geben. Bei der traditionell kohlefreundlichen NRW-SPD kommt das gut an, wie die Reaktion Garrelt Duins zeigt. NRW wäre auch besonders betroffen, wenn der Bund gesetzlich festlegen würde, Kohlemeiler eines bestimmten Alters abschalten zu wollen. Von den rund 20 Braunkohle-Kraftwerksblöcken in NRW sind nur drei in den letzten zwölf Jahren ans Netz gegangen. Alle anderen stammen aus den 60er oder 70er Jahren. Sie sind längst abgeschrieben. Und deshalb lohnt sich ihr Betrieb für die Erzeuger besonders, während moderne Gas- und Kohlekraftwerke wegen der Konkurrenz des subventionierten Ökostroms vielerorts stillstehen.
Grüne: "Das dreckigste Dutzend muss vom Markt"
Die Grünen in NRW beklagen diese "Fehlsteuerung" schon lange. Allen voran der Fraktionschef im Landtag, Reiner Priggen. Gabriels neues Thesenpapier ärgert den Grünen Energieexperten. Es bedeute nichts anderes, als dass die SPD bei der Kohle alles beim Alten lassen wolle, sagt er WDR.de. Das Klimaziel für 2020 sei so aber nicht zu erreichen. "Dazu müsste das dreckigste Dutzend der ältesten und ineffizientesten Kohlekraftwerke aus dem Markt genommen werden." Es wäre die Aufgabe Gabriels, diesen Strukturwandel einzuleiten, sagt Priggen. Stattdessen zerstöre der Minister mit seiner Politik das Klima und den Wandel in der Energiewirtschaft.
Wirtschaftsminister Duin ist gegen Ausstieg aus der Kohle
NRW-Wirtschaftsminister Duin ist da anderer Meinung. Nordrhein-Westfalen sei Energieland Nummer eins in Deutschland, sagt er dem WDR. "Wir tragen eine große Verantwortung für Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit des Stroms." Wer mit dem Atom- gleichzeitig auch den Kohleausstieg wolle, setze diese Ziele leichtfertig aufs Spiel und gefährde damit tausende industrieller Arbeitsplätze.
Duin ist damit ganz auf der Gabriel-Linie. Allerdings - gefordert hat den kompletten Kohleausstieg zum jetzigen Zeitpunkt niemand. Nicht mal die Grünen. Und eigentlich steht der Abschied von Uralt-Kraftwerken auch als Ziel im Koalitionsvertrag von Rot-Grün. Es wird bei der Kohle also noch einiges zu diskutieren sein. In Berlin und in Düsseldorf.