Beamte sammeln Spuren am Tatort

Wichtige Zeugen in Köln nicht vernommen

Weitere Pannen nach NSU-Anschlag

Stand: 25.04.2013, 16:15 Uhr

Wichtige Zeugen wurden nicht befragt, eine Datenbank nicht richtig genutzt - bei den Ermittlungen nach dem Bombenanschlag in der Kölner Keupstraße zeichnen sich weitere Pannen ab. Das ergab die Sitzung des NSU-Untersuchungsausschusses.

Als "fast schon skandalös" bezeichnete Clemens Binninger, der CDU-Obmann im NSU-Untersuchungsausschuss, das Verhalten der Kölner Polizei nach dem Anschlag im Jahr 2004. "Diesen Fall hätte man aufklären können", ist Binninger überzeugt. Zu diesem Schluss kommt der Politiker nach der Befragung eines Kölner Polizisten im NSU-Untersuchungsausschuss am Donnerstag (25.04.2013) in Berlin. Der Beamte sei gemeinsam mit einem Kollegen zum Zeitpunkt des Anschlags in direkter Nähe auf Streife gewesen. Noch vor den Einsatzkräften seien sie am Tatort eingetroffen, sagten sie im Ausschuss aus. Videoaufzeichnungen legen nach Erkenntnissen des Ausschusses nahe, dass sich die mutmaßlichen Täter zur gleichen Zeit in derselben Straße aufgehalten haben wie die Polizeistreife. Dennoch sind die Polizisten erst im März 2013 vernommen worden.

Vernehmung neun Jahre nach dem Anschlag

Ein schweres Versäumnis, wie Binninger meint. Denn die beiden Beamten hätten wichtige Hinweise geben können - wenn sie denn vernommen worden wären. Wie NRW-Innenminister Ralf Jäger im Untersuchungsausschuss zu Protokoll gegeben hatte, sei bekannt gewesen, dass die Beamten vor Ort waren. Beide hätten einen Einsatzbericht abgegeben. Erst vor einem Monat waren beide dann nochmals vernommen worden. Nach WDR-Informationen wurden sie allerdings nicht gefragt, ob sie Verdächtige gesehen hätten, die Ähnlichkeit mit den mutmaßlichen Attentätern des NSU gehabt hätten.

Zum Ärger von Binninger: "Erst jetzt, neun Jahre nach dem Anschlag, werden sie vernommen und das noch nicht einmal gründlich". Die Vernehmung habe ausgerechnet der Ermittler geführt, der 2004 für die Versäumnisse in Köln verantwortlich gewesen war. Das Innenministerium in Düsseldorf soll den Ausschuss darüber nicht informiert haben. "Der Vorwurf der Verfahrensbeeinflussung steht im Raum", sagte Petra Pau (Linke). Nach Ansicht des Ausschussvorsitzenden Sebastian Edathy (SPD) sind die Versäumnisse allerdings keine Fehler im Detail, sondern Belege für eine nicht ernsthaft geführte Ermittlung.

Recherchemöglichkeiten nicht ausgenutzt

CDU-Obmann Binninger kritisierte zudem, dass bei den Ermittlungen die Recherchemöglichkeiten in der Sprengstoffdatei des Bundeskriminalamts nur unzureichend genutzt worden seien. Das jedenfalls ergab die Befragung des Leiters der zuständigen Polizei-Tatortgruppe, Dirk Spliethoff, im Untersuchungsausschuss. Wäre nach den Schlagworten "männlich", "Koffer" und "rechtsradikal" gefragt worden, hätte man die Datei des mutmaßlichen NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt abrufen können, kritisierte der CDU-Obmann. Spliethoff war diese Abfragmöglichkeit nach eigenen Angaben nicht bekannt.

Untersuchungsausschuss tagt bis Juni

Der Anschlag in der überwiegend von Türken bewohnten Kölner Keupstraße wird der rechtsextremen Terrorzelle zugeschrieben. Damals waren 22 Menschen verletzt worden. Der Anschlag wird der rechtsextremen Terrorzelle NSU zur Last gelegt. Der Untersuchungsausschuss befasst sich seit mehr als einem Jahr mit den NSU-Verbrechen und den Ermittlungspannen in dem Fall. Der Ausschuss hat für den 6. Juni seine letzte öffentliche Sitzung geplant. Anschließend stehe die Arbeit am Abschlussbericht an. Am 3. September soll der Bundestag in einer Sondersitzung über den Bericht des Gremiums beraten.