Geld für "Mobile Beratungsstellen"

NRW zahlt für Kampf gegen Rechtsextremismus

Stand: 27.06.2013, 06:00 Uhr

Ihr Engagement ist groß, ihr Budget nicht: Die fünf "Mobilen Beratungsstellen gegen Rechtsextremismus" in NRW haben immer wieder Geldsorgen. Nun sichert das Landesfamilienministerium finanzielle Unterstützung zu - und ergänzt damit Bundesmittel.

Von Katja Sponholz

Wenn sich jemand bei Heiko Klare oder seinem Kollegen Michael Sturm in der "Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus" im Regierungsbezirk Münster meldet und sich für seine Schule, seinen Verein oder seine Behörde einen Vortrag zum Thema Neonazis wünscht, muss er erst einmal Geduld mitbringen. "Wenn eine Anfrage akut ist, versuchen wir natürlich, so schnell wie möglich zu handeln", sagt Klare im Gespräch mit WDR.de. "Ansonsten gilt jedoch: Mit unseren Terminen sind wir bis zu den Sommerferien voll bis zur Halskrause – und danach geht es nahtlos weiter." Umso willkommener und notwendiger sei nun die Finanzhilfe, die NRW-Familienministerin Ute Schäfer (SPD) in Aussicht gestellt hat: "Ich bin sehr froh, dass das Land einsteigt", sagt Klare. "Das ist ein positives Zeichen und ermöglicht es uns, etwas flexibler zu sein und personell aufzustocken."

Toleranz fördern – Kompetenz stärken

Seit 2009 gibt es in jedem der fünf Regierungsbezirke Nordrhein-Westfalens eine "Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus": in Arnsberg, Detmold, Düsseldorf, Köln und Münster. Jeder Träger dieser Einrichtungen erhält seitdem aus dem Bundesprogramm "Toleranz fördern – Kompetenz stärken" 45.000 Euro pro Jahr; in den letzten beiden Jahren wurde die Summe aufgestockt auf 51.000 Euro. Und doch: Geld, das nach Angaben der Macher schon jetzt nicht ausreicht, um alle Anfragen von einzelnen Bürgern, aber auch von Vereinen, Schulen und Behörden in den Städten zeitnah erfüllen zu können. "Mehr schlecht als recht" schätzen die Mitarbeiter die finanzielle Ausstattung ein, und dass sie "viel zu wenig Personal für einen großen Regierungsbezirk" ermögliche.

Lob von der Ministerin

Doch dass die Arbeit dieser Einrichtungen eine große Bedeutung hat, steht für NRW-Familienministerin Ute Schäfer (SPD) außer Frage: "Die 'Mobile Beratung' ist außerordentlich hilfreich im Kampf gegen Rechtsextremismus. Zusammen mit Eltern- und Opferberatung trägt sie im erheblichen Maße dazu bei, die Zivilgesellschaft zu stärken", sagt sie zu WDR.de - und verweist auf den Koalitionsvertrag, in dem sich die Landesregierung zur verstärkten Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus und Rassismus in unserer Gesellschaft bekannt habe. Die Mobilen Beratungsstellen seien dabei "ein wichtiger Baustein". Deshalb beabsichtige das Land, die Träger der Einrichtungen ab Mitte des Jahres mit 23.000 Euro und weiteren 40.000 Euro im nächsten Jahr zu unterstützen. Mit dieser zusätzlichen Förderung will das Land "einen durch das Bundesprogramm nicht abgedeckten Bedarf an Qualifizierungsangeboten für lokale sowie regionale Organisationen und Institutionen unterstützen".

Wunsch nach Langfristigkeit

"Das ist erst mal eine tolle Nachricht", sagt Hendrik Puls, der gemeinsam mit einem Kollegen aus dem NS-Dokumentationszentrum für den Regierungsbezirk Köln zuständig ist. "Wir freuen uns darüber, weil es Mittel sind, die wir gut gebrauchen können." Und doch geben sie den Mitarbeitern in den fünf Beratungsstellen des Landes nur eine Sicherheit auf Zeit: Denn der aktuelle Förderzeitraum des Bundesprogramms läuft Ende des nächsten Jahres aus – und über eine Fortführung oder Neuauflage soll erst 2014 entschieden werden.

"Wenn ich einen Wunsch formulieren dürfte, würde ich mir wünschen, dass wir auch einmal eine langfristige Perspektive haben, weil es bei unser Arbeit auch um Beziehungsaufbau und Vertrauen geht", sagt Heiko Klare aus Münster. "Wenn ich im Dezember Termine für Februar mache und dann sagen muss, 'ich weiß nicht, ob ich dann noch da bin', ist das Gift für eine Beziehungsarbeit." Dabei sei die Arbeit der Mobilen Beratungsstellen doch auf Langfristigkeit ausgelegt. Zwar melden sich Bürger oft, wenn sie aktuelle Probleme haben, wenn Wände in der Stadt mit Hakenkreuzen beschmiert sind, wenn an einem Kiosk verbotene Zeitschriften verkauft werden, wenn Rechtsextreme Propagandamaterial an Jugendliche verteilen oder ein Jugendtreff von Neonazis unterwandert wird – aber immer wieder sei dies nur der Auftakt zu einer langen Entwicklung. "Aus konkreten Anlässen entstehen oft Netzwerke, Kooperationen und spannende neue Projekte – und das funktioniert nur, wenn wir dauerhaft ansprechbar sind und nicht immer auf der Kippe stehen", sagt Klare.

Unterstützung vom Wissenschaftler

Rückendeckung erhalten die Mobilen Beratungsstellen auch von dem Rechtsextremismus-Forscher Alexander Häusler von der FH Düsseldorf. "Die Mobilen Beratungsstellen sind chronisch unterfinanziert gewesen – und sie sind es immer noch. Dabei ist ihre Arbeit so immens wichtig", sagt der Sozialwissenschaftler.  Die Aufteilung in die fünf Regierungsbezirke hält er für sinnvoll, der Erfolg der Beratung hänge aber praktisch von dem Engagement der Mitarbeiter in den einzelnen Teams ab. "Das ist sehr hoch – und deshalb funktioniert die Arbeit so gut", lobt er. Wenn das Land den Kampf gegen Rechtsextremismus jedoch ernst nehme, sei eine nachhaltige Unterstützung dieser Einrichtungen erforderlich: "Das heißt, dass die Finanzierung nicht nur in eine Regelfinanzierung umgemünzt werden sollte, sondern auch weiter ausgestaltet und verzahnt werden muss mit Forschung und Präventionsarbeit."

Schon jetzt erfüllen die Mobilen Beratungsstellen nach Ansicht des Wissenschaftlers zwei wichtige Funktionen: zum einen als "Feuerwehr vor Ort, die präsent ist und etwas initiiert, wenn es irgendwo brennt", zum anderen als Netzwerk und wichtige Kommunikationsstellen in den Städten, die Entwicklungen erkennen und darauf reagieren können. "Natürlich werden diese Mobilen Beratungen den Rechtsextremismus nicht abschaffen", räumt Häusler ein. "Aber sie sorgen dafür, dass Gelder nicht irgendwohin transferiert werden, wo sie nicht gebraucht werden, sondern dass Initiativen zielgerichtet laufen."

Dieter Frohloff, zuständig für den Regierungsbezirk Arnsberg, mag sich gar nicht vorstellen, dass die Mobile Beratung einmal eingestellt werden könnte. "Ich glaube schon, dass wir einen großen Beitrag leisten können zur Aufklärung und Stärkung von Menschen und unserer Zivilgesellschaft", sagt er. Er glaubt jedenfalls zu wissen, was passieren würde, wenn es diese Beratungsstellen nicht mehr geben würde: "Dann hätte es der Rechtsextremismus in unserer Gesellschaft viel leichter."