Gemälde von Adelige bei einem Ball

Stichtag

23. Juni 1775 - Karl Ludwig von Pöllnitz stirbt

Karl Ludwig Freiherr von Pöllnitz braucht Geld. So tut er das, was er am besten kann: Er schreibt Geschichten, von denen niemand weiß, ob sie auch wirklich stimmen. Wie die von Constantina von Cosel, die fürchtet, als Mätresse Augusts des Starken ausgedient zu haben. "Nach viel und langer Nachforschung steckte ihr ein königlicher Kammerdiener zu, der König vertreibe sich öfters etliche Stunden mit einem gewissen jungen Herrn", heißt es bei von Pöllnitz in seiner Schrift "Das galante Sachsen" (1735). Der Kammerdiener frage sich, "ob diese Person nicht ein verkleidetes Frauenzimmer sei."

Eigentlich plant von Pöllnitz, das von Indiskretionen nur so wimmelnde Manuskript für viel Geld an August den Starken zu verkaufen. Aber dem souveränen sächsischen Kurfürsten und König Polens ist die Veröffentlichung völlig egal. Auch das spricht Bände. Denn bei Hofe wird von Pöllnitz kaum wahrgenommen.

Höfische Reiseführer

Geboren wird von Pöllnitz 1692 in Issum bei Kleve. Sein Vater ist Oberst in der Armee des Kurfürsten von Brandenburg. Als Kind kommt er an den preußischen Königshof, um Spielgefährte des späteren Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I. zu werden, der schon damals sehr aufbrausend ist. Als sein Vater stirbt, ist er so mittellos, dass er sich mit 18 Jahren zum Militärdienst nach Flandern meldet. Danach soll er unter anderem von Hof zu Hof durch Deutschland, England, Polen, Italien und Frankreich gezogen sein. So jedenfalls steht es in seinen dreibändigen "Mémoires", die 1734 erscheinen und wie alles von diesem Autor mit Vorsicht zu genießen sind. Trotzdem wird das Werk später von der feinen Gesellschaft als eine Art Reiseführer zu den Sehenswürdigkeiten der thematisierten Länder benutzt.

1735 kehrt von Pöllnitz an den preußischen Hof nach Berlin zurück. Nachdem er zum Protestantismus konvertiert ist, bekommt er eine Anstellung am Hofe Friedrichs des Großen. Er wird Kammerherr und später Zeremonienmeister, wobei er in Fragen des Protokolls nicht immer textsicher ist. Seine eigentliche Rolle ist aber ohnehin, die höfische Gesellschaft als galante Plaudertasche mit Geschichten bei Laune zu halten. Darüber hinaus gilt von Pöllnitz als intrigant und nachtragend. "An der Tafel unterhaltend", urteilt Friedrich. "Ansonsten wegsperren".

Bedauert nur von seinen Gläubigern

Tatsächlich wird von Pöllnitz am preußischen Hof nur geduldet. Sein schlechter Ruf eilt ihm voraus. Als er 1744 eine reiche Heirat in Aussicht hat und Berlin verlassen will, macht die Braut einen Rückzieher, nachdem sie Erkundigungen über ihren Fast-Gatten eingezogen hat. Reumütig kehrt von Pöllnitz zum großen Friedrich zurück, der ihm zur Strafe aber das Gehalt kürzt. Der adelige Autor bleibt notorisch klamm – auch weil den Untertanen des Königs bei Strafe verboten ist, ihm mit Geld auszuhelfen.

Karl Ludwig Freiherr von Pöllnitz stirbt am 23. Juni 1775 in Berlin. Als Friedrich seinem Philosophenfreund Voltaire davon berichtet, soll er gesagt haben: "Der alte Pöllnitz ist gestorben, wie er gelebt hat, das heißt: noch am Tage vor seinem Tode gaunernd. Es bedauert ihn niemand als seine Gläubiger."

Stand: 23.06.2015

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