Die Stadt ist für drei Weltreligionen von zentraler Bedeutung: In Jerusalem stehen neben der christlichen Grabeskirche, die muslimische Al-Aqsa-Moschee und die jüdische Klagemauer. Kaum an einem anderen Ort der Welt bündeln sich so viele Ansprüche und Wünsche auf engstem Raum. Drei Milliarden Menschen auf der Welt ist diese Stadt heilig. Dort leben gegenwärtig knapp 800.000 Juden, Christen, Muslime und Atheisten mehr oder weniger friedlich zusammen.
Jerusalem ist etwa 3.800 Jahre alt. Der jüdische König David erobert die Stadt um 1.000 vor Christus. Danach gerät sein kleines Volk mitsamt seiner Hauptstadt unter Druck. Immer wieder übernehmen die großen Völker der Region die Macht. Darunter sind die Assyrer, die Babylonier, die Parther, die Perser und schließlich die Römer. Als 135 nach Christus ein Aufstand der Juden scheitert, verbieten ihnen die Römer, die Stadt wieder zu betreten. Zudem ist zwei Mal zuvor der Tempel für Jahwe, den Gott Israels, zerstört worden.
"Freier Zugang zu den Heiligen Stätten"
Erst nach 1.800 Jahren Diaspora können die Juden 1948 mit britischer Unterstützung einen jüdischen Staat gründen: Israel. Zwei Jahre später, am 4. Januar 1950, erklärt Premierminister David Ben Gurion Jerusalem zur israelischen Hauptstadt. Doch der Zugang zu den Steinquadern der Klagemauer an der Westseite des Tempelbergs bleibt den Juden zunächst verwehrt. Erst 1967 erobert die israelische Armee während des Sechs-Tage-Kriegs gegen Ägypten, Jordanien und Syrien auch die Altstadt.
1978, bei den Friedensverhandlungen im amerikanischen Camp David, wird Jerusalem im offiziellen Vertragstext nicht erwähnt. Israel will die Kontrolle über die Stadt nicht teilen. Für die Araber ist allerdings klar, dass Ostjerusalem perspektivisch wieder zu ihrem Einflussgebiet werden soll. Die Reaktion Israels folgt prompt: 1980 verabschiedet das Parlament, die Knesset, das sogenannte Jerusalem-Gesetz. Damit werden Ost- und Westteil der Stadt sowie einige Dörfer am Stadtrand zusammengelegt und Jerusalem zur untrennbaren Hauptstadt Israels erklärt. Der damalige Bürgermeister Teddy Kollek verteidigt diesen Schritt: "Wir wollen der Welt zeigen, dass es eine Stadt der Toleranz sein wird, mit dem freien Zugang zu den Heiligen Stätten für alle Religionen."
Streit um Kontrolle dauert an
Die Christen in Jerusalem haben gelernt, ohne Besitzansprüche zu leben. Sie spielen allerdings auch keine Rolle in diesem Konflikt. Es sind die muslimischen Palästinenser, die sich gegen eine schleichende Judaisierung der arabischen Stadteile wehren. "Derzeit leben in Ostjerusalem 230.000 jüdische Siedler", sagt der Palästinenser Jad Isaac, der das "Applied Research Institute Jerusalem" leitet und die israelische Siedlungspolitik dokumentiert. Er berichtet, mittlerweile habe sich ein Ring jüdischer Siedlungen um Jerusalem gelegt. Palästinenser erhielten kaum noch Baugenehmigungen. Viele von ihnen bauten daher illegal. Die Behörden wiederum gingen mit Geld- und Gefängnisstrafen sowie der Zerstörung von Schwarzbauten vor. Solche Maßnahmen und hohe Arbeitslosigkeit führten zu Abwanderung gebürtiger Jerusalemer Araber.
Doch die arabische Seite gibt Jerusalem nicht auf. Die Al-Aqsa-Moschee gilt als drittwichtigstes Heiligtum im Islam. Die Idee einer offenen Stadt, die gleichzeitig zwei Hauptstädte beherbergt, bleibt vorerst eine Forderung von Friedensaktivisten auf beiden Seiten. Sie können sich bislang nicht durchsetzen.
Stand: 04.01.2015
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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.05 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 4. Januar 2015 ebenfalls an die Erklärung Jerusalems zur Hauptstadt Israels. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.