Eine Bank mit fer Aufschrift "Red keinen Schrott, mach FSJ"

Stichtag

17. August 1964 - Gesetz zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres

Auf den Zweiten Weltkrieg folgt der Wiederaufbau: In Westdeutschland beginnt in den 1950er Jahren das sogenannte Wirtschaftswunder. Der materielle Wohlstand steigt, die Arbeitslosigkeit sinkt. Die Unternehmen werben deshalb mit allen Mitteln um den Nachwuchs. Soziale Einrichtungen wie Krankenhäuser und Altersheime haben oft das Nachsehen. Dabei wird jede helfende Hand gebraucht. Noch immer prägen Kriegsversehrte das Straßenbild.

In der fränkischen Gemeinde Neuendettelsau hat der evangelische Pfarrer Hermann Dietzfelbinger eine Idee: Als Rektor der dortigen Diakonissenanstalt ruft er 1954 junge Frauen dazu auf, ein Jahr ihres Lebens für andere Menschen zur Verfügung zu stellen. Sie sollen einen freiwilligen Dienst an Kranken und Pflegebedürftigen leisten, ohne Diakonissen zu werden. "Gib ein Jahr", lautet der Slogan. 1958 ruft auch die Katholische Jugend zum Freiwilligendienst auf. Bei der Aktion "Jugend hilft Jugend" sollen sich junge Frauen und Männer in den Flüchtlingslagern karitativ engagieren.

Unterkunft, Verpflegung, Taschengeld

Dem Beispiel der Kirchen folgen in den frühen 1960er Jahren auch Verbände der Freien Wohlfahrtspflege. So schaffen das Rote Kreuz, der Paritätische Wohlfahrtsverband und die Arbeiterwohlfahrt innerhalb ihrer Organisationen die Grundlagen zur Durchführung eines Freiwilligen Sozialen Jahres (FSJ). Die Angebote an solchen Programmen werden mehr, deren Bedingungen jedoch unübersichtlicher. Deshalb beschließt der Bundestag mit Zustimmung des Bundesrates ein "Gesetz zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres", das am 17. August 1964 verkündet wird. Im ersten Paragrafen heißt es: "Das freiwillige soziale Jahr wird ganztägig als pflegerische, erzieherische oder hauswirtschaftliche Hilfstätigkeit geleistet." Die Helferinnen und Helfer sollen während ihres Dienstes durch den Träger "persönlichkeitsbildend" betreut werden - "mit dem Ziel soziale Erfahrungen zu vermitteln und das Verantwortungsbewusstsein für das Gemeinwohl zu stärken".

Um mehr Jugendliche für das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) zu begeistern, werden in dem Gesetz auch einige Nachteile gegenüber Auszubildenden abgeschafft. Es geht dabei um Kindergeldzahlungen, Steuerermäßigung und Rentenbeiträge - nicht aber um Entlohnung: "Den Helferinnen und Helfern dürfen nur Unterkunft, Verpflegung, Arbeitskleidung und ein angemessenes Taschengeld gewährt werden." Schließlich handelt es sich um einen uneigennützigen, freiwilligen Dienst.

Das FSJ erhält Konkurrenz

Das Gesetz wird im Laufe der Zeit ergänzt und 2008 unter dem Namen Jugendfreiwilligengesetz (JFDG) neu gefasst. Es regelt bis heute die Einsatzmöglichkeiten und die pädagogische Begleitung der Freiwilligen. Für das FSJ gilt mittlerweile eine Altersgrenze von 27 Jahren, zunächst lag sie bei 25 Jahren. Der Dienst kann sowohl von Deutschen im In- und Ausland, als auch von Ausländern in Deutschland abgeleistet werden. Derzeit nutzen jährlich mehr als 51.000 junge Menschen diese Möglichkeit. Das FSJ war sowohl bei der Einführung des Freiwilligen Ökologischen Jahres (FÖJ) im Dezember 1993 und des Bundesfreiwilligendienstes (BFD) im Juli 2011 ein Vorbild. Viele Regelungen sind in das FÖJ und den BFD übernommen worden. Insgesamt sind in diesen drei Dienstformen rund 100.000 Freiwillige aktiv.

Angesichts des Erfolgs der Freiwilligendienste mahnt der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider: "Das FSJ darf nicht dazu benutzt werden, um Mängel und Lücken im Gesundheitssystem oder in der Versorgung alter Menschen zu kompensieren." Gisela Jakob, Professorin für Soziale Arbeit, kritisiert den wachsenden Einfluss des Staates auf die Freiwilligendienste. Als vorläufigen Höhepunkt dieses Trends nennt sie die Einrichtung des staatseigenen BFD, der nicht nur Jugendliche, sondern alle Arbeitsgruppen anspricht. Die durch den ausgesetzten Zivildienst frei gewordenen Haushaltsmittel seien einfach umgewidmet worden, um die drohenden Lücken in sozialen Einrichtungen mit "Bufdis" zu schließen. EKD-Ratsvorsitzender Schneider fordert deshalb Wachsamkeit: "Hier müssen wir wirklich aufpassen, dass diese Monopolisierung nicht dazu führt, dass alle anderen Pflanzen zu kurz kommen, verdorren oder zurückgehen."

Stand: 17.08.2014

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