1944 heiratet die ehemalige "Miss France" Yvette Labrousse in Cannes den geistlichen Führer der Ismailiten, Aga Khan III. Auch die Herzogin von Windsor ist geladen. Sie ist vor allem von der Frisur der Labrousse fasziniert und fragt nach ihrem Friseur. "Das ist ein kleiner Mann mit Schnurrbart namens Alexandre", soll sie als Antwort erhalten haben. "Sehr jung, aber talentiert".
Danach frisiert Alexandre die Herzogin von Windsor, der zuliebe König Edward VIII. von England abgedankt hatte, in ihrer Pariser Wohnung – und anschließend Königinnen und Prinzessinnen, ganze Fürstenhäuser und die großen Filmstars der 50er und 60er Jahre. „Man hatte mir geweissagt, die Frau eines Königs werde meine Karriere fördern“, wird er später sagen. "Das war die Herzogin von Windsor."
Cocteaus diskrete Dauerwelle
Geboren wird Alexandre am 6. September 1922 als Spross einer Florentiner Familie von Restaurantbesitzern. Die Familie hat Kontakt zu Schriftstellerinnen wie Sidonie-Gabrielle Claudine Colette, die sich die Haare unerhörterweise kurz schneiden lässt, aber auch zum legendären Meisterfriseur Antoine, dem Erfinder des Bubikopfs. Alexandre lernt beim berühmtesten Haarkünstler seiner Zeit und wird von ihm mit seinem Künstlernamen geadelt.
Alexandre ist nicht nur flink mit der Schere: Auch sein Witz und sein lockeres Mundwerk kommen bei den Damen an. Mit dünnem Oberlippenbart und auffallenden Hemden nebst Schmuck stilisiert er sich selbst zur Kunstfigur. Dabei ist er auch verschwiegen: Den Blankoscheck eines Journalisten als Gegenleistung für Klatsch- und Tratschgeschichten zerreißt er in der Luft. Der Dichter Jean Cocteau, der Alexandre seine diskrete Dauerwelle verdankt, illustriert ihn als kurzhaarige Sphinx.
Aufgesteckte Haarpracht
Allein Elizabeth Taylors Haarpracht arrangiert Alexandre nach eigener Aussage als "Alexandre of Paris" in rund 30 Filmen; aber auch für den glatten halblangen Pagenkopf von Jacky Kennedy oder Catherine Deneuves voluminöse blonde Außenrollen ist er verantwortlich. Vor allem seine aufwendigen Aufsteckfrisuren machen ihn berühmt. Er kann es sich sogar erlauben, adelige Kundinnen zu beschimpfen, wenn sie es gewagt haben, sich von einem anderen ondulieren zu lassen.
Mit 78 Jahren legt Alexandre die Schere endgültig zur Seite. Schließlich lebt er derart zurückgezogen, dass die Öffentlichkeit erst nach Wochen von seinem Tod im Jahr 2008 erfährt. Doch die Marke "Alexandre de Paris" hat bis heute nichts von ihrem Prestige verloren. Noch immer werden die Geheimnisse des Starfriseurs in einer eigenen "Academie" an den Friseurnachwuchs weitergegeben.
Stand: 06.09.2012
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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.05 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 6. September 2012 ebenfalls an den Starfriseur Alexandre. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.