Teenager in Japan mit Tamagotchi

Stichtag

12. Mai 1997 – Tamagotchi in Deutschland eingeführt

Das Küken im Ei hat Hunger. Und es will gestreichelt werden. Unaufhörlich piepst die etwas spröde Animation ihrem Besitzer Ende der neunziger Jahre seine Bedürfnisse entgegen. Besitzer sind meistens Kinder und Jugendliche, die Tag und Nacht auf die bunten Knöpfe unterhalb des Bildschirms drücken, damit ihr Tamagotchi nicht eingeht.

Schlafmangel und Konzentrationsschwächen sind die Folgen, warnen deutsche Psychologen. Lehrer beklagen sich über die permanente Störung ihres Unterrichts. "Kolleginnen und Kollegen sind zu mir gekommen, haben mir die Eier auf den Tisch gelegt und gesagt: So, die stören so sehr den Unterricht, wir wissen nicht mehr, was wir machen sollen", fasst ein Lehrer die Situation im WDR Fernsehen zusammen. Und für einen Kollegen stellt das Plastikspielzeug sogar "eine psychische Gefährdung der Kinder dar".

Spaß mit einer Eier-Uhr

Im Unterschied zu deutschen Pädagogen ist den Japanern diese Angst und Ratlosigkeit fremd. "Irgendetwas ist neu, dann guckt man erst mal, oh, das ist neu, das macht Spaß, ich spiel mit", beschreibt Franziska Ehmcke, Professorin für Japanologie an der Universität Köln, die Mentalität der Japaner. Kein Wunder also, dass es bei Einführung des Tamagotchis der Firma Bandai 1996 im Land der aufgehenden Sonne kaum Kritik gibt.

Das virtuelle Küken, dessen Name sich einer Wortneuschöpfung aus dem japanischen Wort für "Ei" ("tamágo") und einer Verballhornung des englischen Begriffs für "Uhr" ("watch") verdankt, lässt die Japaner nicht mehr los.

Invasion der Plastikeier

Am 12. Mai 1997 schwappt die Tamagotchi-Welle auch nach Deutschland über. Innerhalb weniger Monate verkauft Bandai Hunderttausende der etwa sechs mal vier Zentimeter großen Plastikeier: zu stolzen 30 D-Mark das Stück.

Weil die Nachfrage vor allem in den ersten Monaten nicht befriedigt werden kann, müssen Kinder auf dem Tamagotchi-Schwarzmarkt sogar ein Vielfaches des Preises zahlen.

80 Millionen Streicheltiere

In Deutschland verebbt das Tamagotchi-Fieber fast so schnell, wie es gekommen ist. Zwar bringt Bandai in Japan fast jährlich neue Ausgaben auf den Markt – 2009 etwa das "Tamagotchi ID" mit Farbdisplay und Handy-Schnittstelle –, aber in Deutschland interessiert das virtuelle Küken bald schon niemanden mehr.

Weltweit jedoch hat Bandai bis heute angeblich rund 80 Millionen Tamagotchis verkauft.

Stand: 12.05.2012

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