"Wenn man den Zuckergehalt des Mostes messen könnte, müßte es möglich sein, die Entwicklung des auszubauenden Weines besser vorauszusehen". Von diesem Grundsatz ist Ferdinand Oechsle überzeugt. Mit Feuereifer widmet er sich dieser Aufgabe – und entwickelt eine spindelförmige Waage mit einer bleibeschwerten Glasskala, deren Anzeige bei besonders zuckerhaltigem Most besonders hoch nach oben steigt.
Schon vor Oechsle nutzen Winzer mit einem Lot beschwerte Spindelwaagen, die sie in den Most hängen: Je süßer der Wein, desto weniger versinkt das Instrument. Aber erst der Goldschmied und Mechaniker entwickelt ein Gerät, dessen Aussage dank der Grad-Einteilung wirklich verlässlich ist. Von nun an ist es Weinbauern erstmals möglich, auf einer Skala von eins bis 100 direkt am Rebstock zu entscheiden, ob der Zuckergehalt der Trauben stimmt und sie reif zur Ernte sind.
Vom Gold zum Wein
Geboren wird Oechsle 1774 im baden-würtembergischen Buhlbach. Ende der 80er Jahre des 18. Jahrhunderts geht er in Öhringen bei einem Goldschmied und Schmuckhändler (Bijoutier) in die Lehre. Nach seinen Wanderjahren wird er 1800 Kabinettmeister in einer Bijouteriefabrik in Pforzheim. 1803 heiratet er Karoline Wilhelmine Friederike Gmelin, mit der er sieben Kinder hatte. 1810 macht er sich mit einer mechanischen Werkstätte für Gold- und Medizinwaagen in Pforzheim selbstständig. Zehn Jahre später wird er "Großherzoglicher Badischer Gold-Kontrolleur". Ab 1829 betreibt er eine Spiritusbrennerei und -destillation.
Nach Jahren des Experimentierens veröffentlicht Oechsle 1836 seine Broschüre "Über den Gebrauch der Most- und Weinwaage". Da hat er bereits ein Produkt entwickelt, dass sich zur Serienfabrikation eignet und das er günstig an die Winzer verkaufen kann. Unter seinen zahlreichen Erfindungen – darunter auch verschiedene Thermometer und ein gefahrloses Knallgasgebläse für Lötarbeiten – bleibt ihre Grundidee bestehen.
Maßgebliche Erfindung
Ferdinand Oechsle stirbt am 17. März 1852 in Pforzheim. Seine Mostwaage aber macht ihn im deutschsprachigen Raum unsterblich. Denn während die Franzosen den Zuckergehalt der Trauben in Baumé-, die Italiener in Babo- und die Amerikaner in Brix-Graden messen, ist die hierzulande maßgebliche Einheit nach Oechsle benannt.
Auch im deutschen Weingesetz sind die verschiedenen Qualitätsstufen nach Oechsle-Graden gegliedert. Je höher die Gradation, desto höher das Prädikat – und dem entsprechend die Einnahmen des Winzers.
Stand: 17.03.2012
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