Yehudi Menuhin, 1979

22. April 1916 - Geburtstag des Geigers Yehudi Menuhin

Stand: 22.04.2016, 00:00 Uhr

Yehudi Menuhin ist ein eher unorthodoxer Jude. Für ihn ist nicht der Tempel von Jerusalem das größte Heiligtum. Das größte Heiligtum ist seine Geige. "Das Klavier, so herrlich es gebaut ist, bleibt leblos und neutral", notiert er 1976 in seinen Lebenserinnerungen. "Eine Geige dagegen ist ein lebendiges Wesen, und ihr Holz speichert die Geschichte, die Seele ihrer verschiedenen Besitzer."

Menuhins Geigen stammen aus den Werkstätten der Geigenbaulegenden Stradivari oder Guarneri: Auch wenn er zwei Mal verheiratet ist, schwärmt er von seinen Instrumenten wie von einer großen Liebe. Tatsächlich verbringt der rastlose Musiker mit ihnen die meiste Zeit seines Lebens. "Wenn man mit der Geige steht und spielt, dann ist das wie eine einzige Umarmung."

Mit Disziplin und Yoga

Geboren wird Menuhin am 22. April 1916 in New York. Groß wird er in San Francisco. Seine Eltern sind russische Juden. Vor allem seine Mutter entdeckt sein musikalisches Talent und fördert es nach Kräften. Menuhin lernt bei den größten Geigern seiner Zeit. Schon bald gilt er als Wunderkind. Mit neun Jahren gibt er sein erstes Solokonzert, mit Zwölf schenkt ihm der Bankier Henry Goldman seine erste Stradivari. Auf ihr spielt Menuhin 1929 in kurzen Hosen unter dem Dirigenten Bruno Walter vor Albert Einstein und zeitgenössischen Musikern in der Berliner Philharmonie sein berühmtes "Konzert der drei B" mit Kompositionen von Bach, Brahms und Beethoven – eine Tour de force, die er später gerne wiederholt.

Fortan reist Menuhin von Konzertsaal zu Konzertsaal und von Aufnahmestudio zu Aufnahmestudio, quer durch Europa und die USA, immer auf Luxusschiffen und mit Luxuszügen wie dem Orientexpress. "Wenn ich die Stunden aufzählen könnte, die ich geübt habe in Zügen", wird er einmal sagen, "würde das schon ein kurzes Leben umfassen." 1938 heiratet Menuhin die Australierin Nola Nicholas, mit der er zwei Kinder hat. Die Ehe scheitert nach wenigen Jahren. Krisen wie diese wirken sich direkt auf Menuhins Spiel aus. Es wird härter und wirkt weniger flüssig als zuvor. Aber Menuhin schafft es immer wieder, zur Weltspitze vorzudringen. Mit eiserner Disziplin – und mit Yoga.

Der "Friedensstifter mit der Geige"

1941 treten die USA in den Zweiten Weltkrieg ein. Menuhin sieht es als staatsmännische Pflicht an, in der Folge zahlreiche Konzerte vor amerikanischen Soldaten auf den Aleuten oder im Pazifik zu geben. 1945 besucht er mit dem Komponisten Benjamin Britten deutsche Konzentrationslager und ist erschüttert - trotzdem wird er im Unterschied zu anderen jüdischen Künstlern und Intellektuellen doch immer wieder nach Deutschland zurückkehren. Die Erfahrung in gerade erst befreiten KZs wie Bergen-Belsen macht aus dem Jahrhundertgeiger endgültig einen engagierten Humanisten, der den Hunger in Indien ebenso anprangert wie die Apartheid in Südafrika und sich für die Aussöhnung Israels und Palästinas stark macht. "Friedensstifter mit der Geige" wird ihn die Öffentlichkeit deswegen nennen.

1947 heiratet Menuhin seine zweite Frau Diana, die ihm fortan den Rücken für seine zahlreichen Aktivitäten freihält. 1952 reist er nach Indien - der Beginn einer lebenslangen Liebe zu dessen Kultur und Philosophie. Hier lernt er auch den Sitarspieler Ravi Shankar kennen, mit dem er einige berühmte Platten einspielt. 1999 stirbt Yehudi Menuhin kurz vor seinem 83. Geburtstag während einer Konzerttournee in Berlin an Herzversagen.

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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.05 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 22. April 2016 ebenfalls an Yehudi Menuhin. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.