Eine Frau raucht am Dienstag (20.06.2006) in Berlin beim

29. Juni 2007 - Verband der Cigarettenindustrie löst sich auf

Stand: 29.06.2017, 00:00 Uhr

Rund 5.000 Lobbyisten versuchen in Berlin, Abgeordnete und ihre Parteien in ihrem Sinne zu beeinflussen. Eine der kleinsten, aber erfolgreichsten Lobby-Organisationen leistet sich seit Jahrzehnten die Zigarettenindustrie: den Deutschen Zigarettenverband.

1948 wird er in Hamburg gegründet, damals unter dem Namen Verband der Cigarettenindustrie. Ihm gehören Philip Morris International, British American Tobacco Germany, Reemtsma Cigarettenfabriken, Gallaher Deutschland, die Tabak- und Cigarettenfabrik Heintz van Landewyck und das Unternehmen J. W. von Eicken an.

Der deutsche Verband der Cigarettenindustrie gibt seine Auflösung bekannt (am 29.06.2007)

WDR Zeitzeichen 29.06.2012 14:40 Min. Verfügbar bis 27.06.2052 WDR 5


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Diese wenigen Firmen verkaufen nahezu 100 Prozent der im Nachkriegsdeutschland gerauchten Zigaretten. Und der Verband ist erfolgreich. Er holt Wissenschaftler und Mediziner in einen Forschungsrat. Die schreiben Studien, die belegen sollen, wie harmlos das Rauchen ist. "Ich würde es als Korruption bezeichnen", sagt Professor Friedrich Wiebel, Vorsitzender des ärztlichen Arbeitskreises Rauchen und Gesundheit. Zugleich beeinflusst der Verband Politiker: Weiterhin darf selbstverständlich in Gaststätten, Zügen und öffentlichen Gebäuden geraucht werden.

Philip Morris steigt aus

Erst zu Beginn der 1990er-Jahre werden Nichtraucherschutz-Gesetze diskutiert – was der damalige Geschäftsführer des Verbands ignoriert. "Das meiste löst sich in blauen Dunst auf, weil es keine wissenschaftlich gesicherten Erkenntnisse gibt, dass der Tabakrauch eine Gesundheitsgefahr darstellt", sagt Harald König damals. Es wird noch Jahre dauern, bis sich Rauch- und Werbeverbote durchsetzen, bis Warnhinweise auf Schachteln gedruckt werden müssen. Doch im Mai 2007 gelangt eine seltsame Nachricht an die Öffentlichkeit.

"Die Philip Morris GmbH hat heute den Verband der Cigarettenindustrie über ihre Entscheidung informiert, ihre Verbandsmitgliedschaft zu beenden", heißt es in der Mitteilung. Der Branchenführer – und Hersteller von Marlboro – steigt aus. Und weiter: "Wir wollen nicht, dass Kinder und Jugendliche rauchen. Deshalb unterstützen wir strikte rechtliche Auflagen für die Tabakwerbung."

Tatsächlich unterstützt der Marktführer Philip Morris ein Werbeverbot, die anderen Unternehmen aber nicht. "Wenn man die Werbung eindampft, bleibt am Ende des Tages immer der über, der mit seiner Marke schon richtig dick im Geschäft ist. Und das war natürlich Philip Morris", sagt Marianne Tritz, ehemalige Geschäftsführerin des Verbandes.

Neugründung als Deutscher Zigarettenverband

Am 29. Juni 2007 gibt der Verband der Cigarettenindustrie überraschend seine Auflösung bekannt, um sich kurze Zeit später als Deutscher Zigarettenverband neu zu gründen. Ohne Philip Morris und mit der ehemaligen Grünen-Abgeordneten Marianne Tritz an der Spitze.

Ihr Weg von einer Partei, die den Nichtraucherschutz vorantreibt, zur Geschäftsführerin des Deutschen Zigarettenverbandes – dafür muss sie viel Häme einstecken. "Damit kann ich leben", sagt Tritz. Und: "Es gibt doch heute keinen Menschen mehr auf der Welt, der nichts über die Zigarette und die Folgen weiß. Das kann mir keiner erzählen", sagt sie.

So erfolgreich der Verband ist, er hat starke Gegner. "Der Verband vertritt eine Industrie, die Menschen umbringt. Und wir als Ärzte sind dazu aufgerufen, dies zu verhindern", sagt Friedrich Wiebel. Über die Grüne Marianne Tritz sagt er: "Ich halte sie für charmant, ich halte sie für klug, aber ich muss sagen: Sie ist in gewisser Hinsicht auch gewissenlos."

2012 trennt sich der Verband von ihr, mit der Begründung, man wolle einen Neuanfang. Geraucht hat sie zu diesem Zeitpunkt längst nicht mehr. "Ich habe aufgehört als ich 40 Jahre alt wurde", sagt Tritz.

Sie wechselt in die Dämmstoffindustrie. Ihre Stelle beim Deutschen Zigarettenverband hat ein ehemaliger Abgeordneter der FDP.

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