Umberto Eco bei Münchener Bücherschau 2004

5. Januar 1932 - Schriftsteller und Philosoph Umberto Eco wird geboren

Stand: 05.01.2017, 00:00 Uhr

Im Sommer 1980 nimmt sich der Lektor Burkhart Kroeber ein voluminöses Manuskript auf italienisch vor. Mehrere Verlage haben bereits abgelehnt, den sperrigen Mittelalter-Roman eines unbekannten Autoren aus Bologna herauszubringen. Umberto Eco? Nie gehört, denkt Kroeber und beginnt, "Il nome della rosa" zu lesen.

Der erfahrene Lektor des Hanser Verlags ist fasziniert von dem Kloster-Krimi um den Franziskanermönch William von Baskerville und seinen Adlatus Adson. Sherlock Holmes und Dr. Watson lassen grüßen. Doch in dieser verschlungenen Erzählung über einige auf seltsamste Weise zu Tode gebrachten Mönche, das erkennt Kroeber schnell, "da steckt ein Geheimnis drin".

Romandebüt eines Semiotik-Professors

"Der Name der Rose" von Umberto Eco entpuppt sich als doppelbödiges Verwirr-Spiel über gefährliche Bücher und finstere Machenschaften. Mit überbordener Kennerschaft entführt Eco den Leser in das Leben, die Philosophie und Gedankenwelt des 14. Jahrhunderts. Der Hanser Verlag kauft das Buch auf Empfehlung Kroebers, der auch die Übersetzung ins Deutsche übernimmt.

Die Neue Zürcher Zeitung nennt den am 5. Januar 1932 im Piemont geborene Eco "den einzigen italienischen Großintellektuellen von globalem Format". Seine Stimme hat gesellschaftliches Gewicht. Im Hauptberuf ist der bekennende Bonvivant Philosoph, Literat und Professor für Semiotik an der Universität von Bologna. Semiotik ist die Wissenschaft aller Zeichen und Eco gilt unbestritten als ihr Meister. In "Der Name der Rose" wimmelt es nur so von kryptischen Zeichen, rätselhaften Symbolen und literarischen Zitaten.

Die Ohnmacht des Theoretikers nach der Moro-Ermordung

Umberto Eco liest, lehrt und schreibt nahezu pausenlos. Sein Übersetzer Kroeber weiß: "Der hat wirklich gearbeitet wie ein Berserker, ohne dass man ihm das ansah. Denn er war ja durchaus ein Lebemann." 1978, nach der Ermordung des Christdemokraten Aldo Moro und den nie geklärten dubiosen Hintergründen erkennt Eco: "Als Theoretiker hatte ich nichts mehr zu sagen. Ich spürte eine totale Ohnmacht."

Nach 50 geisteswissenschaftlichen Werken und unzähligen Essays und Kolumnen packt den Professor die Fabulierlust. "Ich war an einem Punkt in meinen Leben, wo du beschließt, entweder als Waffenhändler in Afrika dein Glück zu machen oder mit einer Primaballerina durchzubrennen. Oder du schreibst einen Roman", meint Eco, das "gute Gewissen seines Landes" (FAZ), selbstironisch über seine Spätberufung zum Bestseller-Autor.

Großer Geist mit 39 Ehrendoktorwürden

Kenntnisreich entrollt Eco vor dem Leser ein Mordkomplott in einer Abtei um 1327 und macht dabei das Mittelalter auf faszinierende Weise lebendig. Beim Hanser Verlag ist man zunächst dennoch skeptisch. "Überladene Bildungshuberei, muss das so viel sein, ein Professorenroman", beschreibt Burkhart Kroeber die anfänglichen Bedenken. So startet "Der Name der Rose" vorsichtig mit einer Auflage von 10.000 Exemplaren. Nach 14 Tagen ist sie vergriffen, das Buch wird ein Weltbestseller – quer durch alle Bildungsschichten.

Auf der Leinwand verkörpert Sean Connery den weisen Franziskaner-Ermittler William, der vor der Despotie der Inquisition kapitulieren muss. Mit "Das Foucaultsche Pendel", "Die Insel der verlorenen Tages" oder "Baudolino" gelingen Eco weitere brillante historische Romane. Sie verkaufen sich millionenfach; auf eine weitere Verfilmung der fein ziselierten Meisterwerke lässt sich Umberto Eco aber nicht mehr ein. Ausgezeichnet mit 39 Ehrendoktorwürden stirbt "der große Geist, der das Alltägliche nicht aus dem Blick verlor" (Neue Zürcher Zeitung) am 19. Februar 2016 in Mailand.

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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 5. Januar 2017 ebenfalls an Umberto Eco. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.

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