1936 fährt der 22-jährige norwegische Anthropologe Thor Heyerdahl mit seiner Frau auf eine längere Hochzeitsreise in die Südsee. Mit 200 Polynesiern lebt das Paar ein ganzes Jahr lang auf Fatu Hiva im Pazifischen Ozean. Es gibt keinen Kontakt zur Außenwelt, nur ein kleines Segelschiff, das jedes Jahr einmal zur Insel kommt. Der Kapitän hätte gesagt, er käme nach einem Jahr zurück, "um zu sehen, wie es geht", wird sich Heyerdahl später erinnern. Offenbar geht es gut, denn mit kleineren Unterbrechungen wird Heyerdahl die Südsee nicht mehr verlassen.
Auf Futa Hiva reift Heyerdahls Idee, dass die Polynesier entgegen der gängigen Forschermeinung ursprünglich nicht aus Südostasien, sondern mit ihren Flößen aus Balsaholz aus Südamerika gekommen seien: eine Idee, die er als selbsternannter "experimenteller Archäologe" im Selbstversuch beweisen will.
Untergang nach 14 Tagen?
Der etablierten Wissenschaft erscheint Heyerdahls These abstrus. Niemals könnten die Polynesier eine solche Reise unternommen haben, behauptet etwa der renommierte US-Anthropologe Samuel Kirkland von der Harvard University: Ein Balsafloß würde viel zu viel Wasser aufsaugen und spätestens nach zwei Wochen untergehen. Heyerdahl will es trotzdem versuchen. Am 28. April 1947 ist es dann so weit: Mit einer fünfköpfigen Crew aus Norwegern und Schweden sticht Heyerdahl mit der "Kon-Tiki" von Peru aus in See. Mit dem Wind und den Meeresströmungen treibt das Floß Richtung Südsee. Mit einem Funkgerät hält die Besatzung Kontakt zum Rest der Welt.
101 schier endlose Tage ist Heyerdahl, der nicht schwimmen kann, mit der Mannschaft unterwegs. Die Crew trinkt Regenwasser und den Lymphensaft von Fischen, die sie als Nahrung fängt. Anfang August 1947 erreicht die Kon-Tiki die Südsee, dann läuft sie auf das Riff eines Atolls auf und wird schwer beschädigt. Trotzdem hat Heyerdahl bewiesen, dass eine solche Reise mit den primitiven Mitteln möglich ist.
Endgültig widerlegt
Heyerdahl schreibt ein Buch über seine Tour. Die Wissenschaft überzeugt er damit trotzdem nicht. Mal wird seine phantastische Fahrt als Humbug abgetan, mal sogar bezweifelt, dass sie überhaupt stattgefunden habe. Ironisch gibt mancher Wissenschaftler zumindest zu, dass Heyerdahl bewiesen habe, dass die Norweger gute Seeleute seien. In der breiten Öffentlichkeit wird Heyerdahl, auch dank seiner zahlreichen Publikationen, trotzdem berühmt.
In den Folgejahren ist Heyerdahl an archäologischen Ausgrabungen beteiligt und unternimmt auch noch Reisen in historischen Booten. 1969 etwa versucht er, mit dem altägyptischen Papyrusboot "Ra" von Marokko aus Amerika zu erreichen; allerdings beginnt sich das Boot rund 1.000 Kilometer vor dem Ziel aufgrund von baulichen Mängeln aufzulösen. Bis zu seinem Tod 2002 im italienischen Colla Micheri hält Heyerdahl an seiner These von den Polynesiern aus Südamerika fest. Aufgrund von genetischen Untersuchungen gilt sie heute allerdings als endgültig widerlegt.
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