Für eine gute Geschichte braucht man nur eine schillernde, zerrissene Figur. Einen Boxer zum Beispiel, einen gewaltbereiten Taxifahrer, oder Gangster aus dem Mafia-Millieu. Davon ist der Regisseur, Drehbuchautor und Produzent Martin Scorsese überzeugt. "Wenn du eine starke Figur hast mit Konflikten, am besten besessen, vielleicht ein bisschen paranoid, dann kannst du daraus das Drehbuch und eine ganze Welt entwickeln", sagt er einmal.
Scorseses Meisterschaft besteht darin, diese Grundlage in eindringliche, emotional aufgeladene Bilder zu transportieren. "Er hatte vor allen Dingen eben tolle Bilder im Kopf", erinnert sich sein langjähriger deutscher Kameramann Michael Ballhaus. "Und das war das Faszinierende an ihm – wenn ein Regisseur mit Bildern etwas erzählen will. Und das habe ich dann eben in die Wirklichkeit übersetzt."
Regisseur statt Priester
Geboren wird Scorsese am 17. November 1942 als Sohn sizilianischer Einwanderer in New York City. Groß wird er im Viertel der italienischen Einwanderer, "Little Italy". Als Kind ist er eher kränklich, vom Fenster aus kann er angeblich beobachten, wie sich unten auf der Straße die Gangster bekriegen. Ursprünglich will Scorsese nach Abschluss der Jesuitenschule Priester werden. Doch dann überlegt er es sich anders und studiert ab 1960 Film an der New York University. Hier bekommt er später eine Anstellung als Dozent und unterrichtet unter anderem Oliver Stone und Jonathan Kaplan. In Kalifornien freundet er sich mit George Lukas, Francis Ford Coppola und Steven Spielberg an.
Sein erster Spielfilm "Wer klopft denn da an meine Tür?" (1967) bringt Scorsese an den Rand des Ruins. Erst sein dritter Hollywoodfilm "Hexenkessel" aus dem Kleinkriminellenmilieu im Umfeld der Cosa Nostra, mit Harvey Keitel und Robert de Niro in den Hauptrollen, bedeutet 1973 den Durchbruch. "Du zahlst deine Sünden nicht in der Kirche, du zahlst auf der Straße", heißt es darin. Damit ist der Kosmos umrissen, in dem sich Scorseses Helden bewegen: Konflikte entstehen aus der Spannung, den Gesetzen von Familie und Kirche gehorchen zu wollen, andererseits aber auch vor den Gesetzen der Straße zu bestehen.
Gewalt für Frieden
So ist es auch in "Taxi Driver" (1976), Scorseses bekanntestem Film. In ihm spielt Robert de Niro die Titelfigur Travis, die paradoxerweise Gewalt anwendet, um Frieden zu finden. Und so ist es auch in Scorseses weiteren Filmerfolgen - dem Boxerdrama "Wie ein wilder Stier" (1980), dem Mafia-Streifen "Good Fellas – Drei Jahrzehnte in der Mafia" (1990) oder dem Thriller "Departed – Unter Feinden" (2006), in dem Leonardo di Caprio und Matt Damon sich gnadenlos jagen und beide dem Tod geweiht sind.
2007 erhält Scorsese für "Departed" den ersehnten Oscar. Glauben kann er es irgendwie nicht so recht. Jedenfalls bittet er vor laufender Kamera darum, den Namen im Innern des Umschlags doch bitte noch ein zweites Mal zu überprüfen.
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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 17. November 2017 ebenfalls an Martin Scorsese. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.
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