Ahmed Sékou Touré, Peäsident von Guinea und  Kwame Nkrumah, Staatspräsident von Ghana

Stichtag

7. Januar 1961 - Afrikanische Charta in Casablanca beschlossen

Afrika endlich vom Kolonialismus zu befreien, das ist in den 1950er Jahren die Vision einer Gruppe junger afrikanischer Politiker. Ihre Wortführer sind Ghanas Präsident Kwame Nkrumah und Ahmed Sékou Touré, der Staatspräsident von Guinea. 1957 führt Nkrumah die britische Goldküste als erste Kolonie südlich der Sahara in die Unabhängigkeit; im Jahr darauf bricht Guinea unter Sékou Touré mit der Kolonialmacht Frankreich und ruft die völlige Unabhängigkeit aus.

In Algerien tobt dagegen seit 1954 ein brutaler Krieg um die Loslösung von Frankreich. Auch der Kongo stürzt ins Chaos, als Belgien das rohstoffreiche Land nach 75 Jahren hemmungsloser Ausbeutung 1960 politisch sich selbst überlässt. Vor diesem Hintergrund berufen Kwame Nkrumah und Sékou Touré, unterstützt von Ägyptens Präsident Nasser, im Januar 1961 eine Konferenz im marokkanischen Casablanca ein. "Africa must unite" lautet ihre Parole, um jede Fremdherrschaft in Afrika endgültig auszumerzen.

Kampf dem Neokolonialismus

Über vier Jahrhunderte bereichert sich Europa auf unermesslich grausame Weise am schwarzen Kontinent. Schätzungsweise 40 Millionen Menschen werden versklavt und verschleppt. Flora und Fauna werden ebenso gnadenlos ausgebeutet wie die schier grenzenlosen Vorkommen an Bodenschätzen. Ohne Rücksicht auf Stammeseinheiten ziehen die Großmächte Grenzen durch den Kontinent, was bis in die Gegenwart Kriege zwischen verfeindeten Ethnien zur Folge hat. Nach dem Ende der Kolonialzeit ziehen die westlichen Großmächte weiter im Hintergrund die Fäden, um ihren politischen Einfluss und die Interessen von Weltkonzernen zu schützen.

Gegen diesen Neokolonialismus machen anti-westliche, eher sozialistisch orientierte Vordenker wie Kwame Nkrumah und Sékou Touré in Casablanca mobil. Außer Ghana und Guinea nehmen Algeriens Exil-Regierung, Ägypten, Libyen, Mali und der Sudan an dem ersten afrikanischen Gipfeltreffen teil. Einig sind sie sich in der Idee des Panafrikanismus, also einer Gründung der Vereinigten Staaten von Afrika, um dem Westen wirkungsvoll Paroli bieten zu können. Doch in der Frage der Führerschaft sowie bei der Lösung der Konflikte in Algerien, im Kongo und in Palästina prallen die Gegensätze hart aufeinander.

Einheit unter Massenmördern

Nach sechstägigem Ringen unterschreiben fünf Staaten, darunter Ägypten, am 7. Januar 1961 als Minimalkonsens eine "Afrikanische Charta". Sie enthält zahlreiche Kompromisse, um nationale Sonderinteressen zu befriedigen, legt aber zugleich die Basis für eine politische, wirtschaftliche und militärische Einigung Afrikas. Tonangebend für die weitere Entwicklung werden allerdings rund 20 nicht in Marokko vertretene Länder. Im Gegensatz zur radikalen, strikt neutralistischen Casablanca-Gruppe verfolgen sie einen gemäßigten pro-westlichen Kurs. Im Mai 1961 verbünden sie sich in Liberias Hauptstadt unter Führung von Äthiopiens Kaiser Haile Selassie zur Monrovia-Gruppe.

Beide Gruppen schließen sich 1963 unter Druck von Gastgeber Haile Selassie in Addis Abeba zur Organisation für Afrikanische Einheit (OAU) zusammen. Es ist die größte Völkergemeinschaft nach den Vereinten Nationen. Die Grenzen aus der Kolonialzeit werden beibehalten, um auf dem ausgebluteten Kontinent keine neuen Konfliktherde zu schaffen. Über politische Macht verfügt die OAU nicht; Diktatoren und Massenmörder wie Mobutu (Kongo/Zaire) oder Idi Amin (Uganda) können weiter herrschen und morden, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen. Erst 2002 wird die OAU von der Afrikanischen Union abgelöst. Eine effektive Bekämpfung der größten Probleme des Kontinents – Krieg, Korruption und Unterernährung – ist auch der Union und ihrem panafrikanischen Parlament bislang nicht gelungen. Die geplante Gründung eines Afrikanischen Gerichtshofs steht weiter nur auf dem Papier.

Stand: 07.01.2016

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