Im hohen Alter zieht es Ingvar Kamprad dorthin zurück, wo alles begonnen hat. Anfang der 1970er Jahre hatte er Schweden verlassen und sich im Steuerparadies Schweiz niedergelassen. 2014, nachdem er die letzte Position in seinem Konzern aufgegeben hat, kehrt der 88-Jährige heim nach Gut Elmtaryd bei Agunnaryd. Dort ist der reichste Mann Europas ("Handelsblatt") am 30. März 1926 zur Welt gekommen.
Aus den Initialen seines Namens und seiner Heimat hat Ingvar Kamprad den Namen seiner Firma gebildet: Ikea. Mit Kampfpreisen, Kreativität und einer untrüglichen Nase für Trends errichtet er aus dem Nichts ein Inneneinrichtungs-Imperium, dessen Konzernstruktur noch undurchsichtiger ist als das Ausstellungslabyrinth in seinen weltweit über 320 Möbelhäusern.
Discountpreise und Geld für Rechtsextreme
Kamprads Großeltern haben Ende des 19. Jahrhunderts das heimatliche Sudetenland verlassen und ein Bauerngut in Småland gekauft, einer bitter armen Gegend in Südschweden. Nach dem Tod ihres Mannes hält Großmutter Kamprad die Familie mit Zähigkeit, Sturheit und Ideenreichtum über Wasser. Für ihren Lieblingsenkel Ingvar wird sie zum wichtigsten Menschen seiner Kindheit. "Ich habe sie sehr bewundert, sie war ein Ideal für mich", bekennt der Milliardär später. Doch nicht nur Omas Stärke und Pfiffigkeit prägen den jungen Ingvar, sondern auch ihre Verehrung der NS-Ideologie. Bis in die 1950er Jahre gehört Kamprad einer Organisation schwedischer Nationalsozialisten an, die er auch finanziert. "Die größte Dummheit meines Lebens", entschuldigt sich Kamprad, als seine politischen Aktivitäten 1994 bekannt werden.
Der 17-jährige Ingvar macht eine Tischlerlehre, schließt die Handelsschule ab und gründet den Versandhandel Ikea. Er liefert alles, was billig zu haben ist: selbst geangelten Fisch, Weihnachtsschmuck, Saatgut, Bleistifte und Kugelschreiber. "Die Ware selbst war völlig egal. Handel und Gewinn waren ihm wichtiger", sagt die Skandinavistin und Kamprad-Kennerin Andrea Suhr. Bereits damals schlägt Kamprad die Konkurrenz mit Niedrigstpreisen aus dem Feld. 1951 entdeckt er Möbel als Umsatzrenner. Um sie möglichst billig anbieten zu können, baut er beliebte Modelle nach und macht sie mit dem ersten Ikea-Katalog bekannt.
Kosten sparen durch Eigenmontage und Selbstbedienung
Schwedens Möbelindustrie wehrt sich mit Lieferboykotten gegen den Produktpiraten. So muss Kamprad ab 1955 sein Angebot selbst entwerfen lassen. Der jung-moderne Ikea-Stil begründet auf Anhieb den hippen Ruf der Marke. Weil ihm die Anlieferungen von Herstellern in Polen zu teuer sind, lässt Kamprad die Möbel in Einzelteilen nach Schweden kommen – und erkennt instinktsicher ein Erfolgsrezept: Ikea-Kunden zahlen weniger und montieren dafür ihre Möbel selbst. 1958 eröffnet Kamprad im småländischen Älmhult sein erstes Einrichtungshaus. Auf die Idee der kostensparenden Selbstbedienung kommt er bei der Eröffnung in Stockholm. Über das neue Möbelhaus bricht ein derartiger Kundenansturm herein, dass er, so weiß die Ikea-Expertin Suhr, kurzerhand entscheidet: "Machen wir halt die Türen auf. Sollen sich die Leute das selbst aus dem Lager holen."
Mit der ersten deutschen Filiale in Eching bei München bricht 1974 auch hierzulande das Ikea-Fieber aus. Seither gibt es kaum noch einen Haushalt ohne schwedische Möbel, Lampen, Vorhänge oder Küchengerätschaften. Hauseigene Restaurants mit Köttbulla-Klopsen, Fertighäuser und Finanzdienstleistungen komplettieren die Ikea-Welt, in der sich alle duzen. Kamprad expandiert pausenlos und lässt die Konkurrenz alt aussehen, wo immer er antritt. Selbst Skandale um Umweltverstöße, Kinderarbeit und Mitarbeiterbespitzelung verdaut die positiv besetzte Marke ohne Probleme. Zum Schutz der sprudelnden Gewinne vor der Steuer spinnt Ingvar Kamprad einen Kapital-Dschungel aus Holdings, Stiftungen und Off-Shore-Firmen, während er in der Öffentlichkeit gern den sympathischen Knauser-Zausel mit Lese-Rechtschreibschwäche gibt. Als der Ikea-Patriarch 2012 das Ruder aus der Hand gibt, erwirtschaftet sein Imperium rund um den Globus einen Jahresumsatz von etwa 30 Milliarden Euro.
Stand: 30.03.2016
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