Die Geburt seines ersten Kindes ist für Heinrich VIII. alles andere als ein Fest der Freude, denn seine Ehefrau bringt 1516 ein Mädchen zur Welt. Als zweiter Herrscher aus der Familie Tudor braucht Englands König aber einen männlichen Erben, um seine Dynastie zu festigen.
Doch die erzkatholische Katharina von Aragon kann dem König keinen Sohn schenken. Heinrichs Bemühungen, einen männlichen Thronfolger zu bekommen, werden zwei seiner sechs Ehefrauen den Kopf kosten und eine tiefe, blutige Spur in der Geschichte Englands hinterlassen.
Abkehr von der römischen Kirche
Als zweiter Sohn von König Heinrich VII. hatte der am 28. Juni 1491 geborene Heinrich eigentlich keine Aussicht auf die Krone. Sein fünf Jahre älterer Bruder Arthur stirbt allerdings noch vor dem Vater und so erbt Heinrich VIII. im April 1509 mit 17 Jahren den Thron. Nach der harten Regentschaft seines unbeliebten Vaters feiert das Volk den lebensfrohen Monarchen wie einen Messias. "Die Himmel lächeln, die Erde jubelt, alles träuft von Milch, Honig und Nektar", schreibt der Gelehrte William Blunt an Erasmus von Rotterdam. Heinrichs Popularität steigt noch, als er die verhassten Steuereintreiber seines Vaters hinrichten lässt. Der englische Humanist Thomas More notiert: "Dieser Tag ist die Geburt der Freiheit!"
Im Jahr 1509 schließt Heinrich VIII. die noch von seinem Vater arrangierte Ehe mit Katharina von Aragon. Ein kluger Schachzug, denn die spanische Königstochter ist eng mit Europas mächtigstem Geschlecht, den Habsburgern, verwandt und bringt eine hohe Mitgift in die Ehe ein. Doch in mehr als 20 Jahren schenkt Katharina ihrem Gatten keinen Sohn, sondern nur die Tochter Maria. Heinrich VIII. wendet sich von ihr ab und verliebt sich in die junge Hofdame Anne Boleyn. Als der Papst ihm die verlangte Scheidung verweigert, erklärt sich der König zum geistlichen Oberhaupt Englands, lässt seine Ehe annullieren und heiratet 1533 die selbstbewusste Anne. Mit dem Erlass der Suprematsakte bricht Heinrich VIII. endgültig mit Rom und begründet die Anglikanische Staatskirche.
Und die Thronfolge wird doch weiblich
Wer der Suprematsakte nicht zustimmt, ist des Todes. Selbst Bischof John Fisher und Thomas More, inzwischen Lordkanzler, bezahlen ihre Standhaftigkeit mit ihrem Kopf. Während die Reformation Europa spaltet, stürzt Heinrichs Entscheidung sein Land in eine tiefe konfessionelle Krise. Aber auch von Anne Boleyn bekommt er nur eine Tochter namens Elisabeth. Unter dem Vorwand des Hochverrats lässt er Anne Boleyn am 19. Mai 1536 enthaupten. Noch im selben Monat heiratet Heinrich seine neue Favoritin Jane Seymour, die ihm kurz darauf mit Eduard VI. den ersehnten männlichen Thronerben schenkt. Jane stirbt noch im Kindbett und Heinrich nimmt auf den Rat seines Lordkanzlers Thomas Cromwell die ihm unbekannte Anna von Kleve zur vierten Ehefrau.
Als die Prinzessin vom Niederrhein 1540 in London eintrifft, findet der König sie so hässlich, dass er die Ehe umgehend annulliert; Thomas Cromwell büßt seinen schlechten Rat mit dem Tod. Heinrich VIII., im Laufe seiner Herrschaft vom stattlichen Hoffnungsträger zum fettleibigen, syphilitischen Despoten mutiert, geht noch zwei kinderlose Ehen ein. Gattin Nummer fünf, die schöne Catherine Howard, endet 1542 nach zwei Jahren wegen vermeintlicher Untreue auf dem Schafott. Ihre Nachfolgerin Catherine Parr hat mehr Glück. Auch sie ist bereits in Ungnade gefallen, als Heinrich VIII. am 28. Januar 1547 stirbt. Ironie der Geschichte: Heinrichs schwächlicher Erbe Eduard, für den er das Land in eine blutige Tyrannei geführt hat, stirbt bereits mit 15 Jahren. Seine Nachfolge treten ausgerechnet die ungewollten Töchter Maria und Elisabeth an. Die erste geht als "Bloody Mary" in die Geschichte ein; die zweite wird als Elisabeth I. 45 Jahre lang regieren und Englands Weg zur Großmacht begründen.
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