9. Februar 1955 - Auch ledige Frauen dürfen im Amtsdeutsch "Frau" genannt werden

Stand: 09.02.2020, 00:00 Uhr

In Frankreich werden unverheiratete Frauen "Mademoiselle" genannt, junge Engländerinnen ohne Ehemann heißen "Miss". "Buona sera, Signorina", rufen die Italiener, "Señiorita" sagen die Spanier und "Fröken" die Schweden. Nur in Deutschland sind die "Fräuleins" ausgestorben. Im offiziellen Amtsdeutsch wurde die Anrede "Fräulein" am 16. Februar 1971 weitgehend abgeschafft.

Aus "Fräulein" wird "Frau" (am 09.02.1955)

WDR 2 Stichtag 09.02.2020 04:17 Min. Verfügbar bis 06.02.2030 WDR 2


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Im Mittelalter ein "Ehrentitel"

Im Mittelalter ist "Fräulein" ein Ehrentitel und bezeichnet eine junge Dame von Adel. Später gilt die Anrede auch für bürgerliche Mädchen. Mit der Zeit verliert die Anrede an Glanz.

In der Weimarer Republik stellt deshalb der Innenminister klar, dass "keiner ledigen Frau verwehrt werden kann, sich Frau zu nennen." Doch die Wirklichkeit sieht anders aus. Noch Jahrzehnte ist die unverheiratete Frau im Alltag selbstverständlich ein "Fräulein", und mit einer Verordnung der Nationalsozialisten gilt das ab 1937 auch wieder amtlich.

Weiblich, berufstätig, schlecht bezahlt

"Fräulein" bedeutet Anfang des 20. Jahrhunderts weiblich, berufstätig und schlecht bezahlt: als Sekretärin, Bedienung oder Telefonistin beim Amt.

Ab 1950 häufen sich im Deutschen Bundesministerium des Innern Beschwerden von Frauen, die kein "Fräulein" mehr sein wollen. Entsprechende Briefe sind im Bundesarchiv in Koblenz archiviert. Die Frauen stört nicht nur die durch die Endung zum Ausdruck gebrachte Verniedlichung: Es geht ihnen auch um sprachliche Symmetrie.

Kein männliches Pendant

Tatsächlich gibt es kein männliches Pendant dazu. "Wie lächerlich würde sich zum Beispiel ein Junggeselle vorkommen, wenn man ihn mit 'Herrlein' titulierte", schreibt eine Frau.

Die Forderung einer anderen: "Meiner Ansicht nach würde dieses Problem gelöst sein, wenn die Bezeichnung 'Fräulein' für die unverheiratete Frau aus der deutschen Sprache ausgemerzt würde."

Nur noch auf ausdrücklichen Wunsch

Zu einer grundlegenden Reform kann sich der Rechtsausschuss – ein Gremium aus 32 Männern und vier Frauen – nicht aufraffen. Er verweist das Thema an die Bundesregierung, die wiederum an die Länder. Die Länderinnenminister einigen sich am 9. Februar 1955 auf einen Erlass, nach dem auch ledige Erwachsene im amtlichen Geschäftsverkehr "Frau" sein dürfen – auf Antrag.

Später ist es umgekehrt: "Regelmäßig sind die Anredeformen 'Frau' und 'Herr' zu verwenden", bestimmt ein Ratgeber des Innenministeriums. "'Fräulein' ist grundsätzlich nur auf ausdrücklichen Wunsch zu verwenden."

Erst Mitte der 1970er Jahre wird der letzte behördliche Vordruck, auf dem ein "Fräulein" vorkommt, endgültig vernichtet.

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