Arles, 1973: Eine schlanke Frau sitzt im Hotel Nord-Pinus auf einem Tisch. Den Rücken halb abgewandt, schaut sie über ihre Schulter in die Kamera. Helmut Newton fotografiert Charlotte Rampling. Für beide sind es die ersten Nacktfotos.
Newton fängt den besonderen Blick von Rampling ein. Sie hat graugrüne Augen und die wohl die bekanntesten Schlupflider der Filmgeschichte. Ihr Blick gilt als provokant, distanziert und doch anziehend.
Visconti als Lehrmeister
Die britische Schauspielerin wird als Tochter einer Malerin und eines Offiziers am 5. Februar 1946 in der englischen Grafschaft Essex geboren. Bevor Luchino Visconti auf sie aufmerksam wird, arbeitet sie als Model. Der italienische Filmregisseur besetzt sie in seiner Familiensage "Die Verdammten" (1969), die während des Nationalsozialismus spielt.
"Durch sein großes Vertrauen erlaubte er es mir, mich als Schauspielerin völlig zu öffnen", sagt Rampling später. "Er sagte: Du kannst das, weil ich hinter Deinen Augen sehe, dass du alles schaffen kannst." Sie könne alles sein mit diesen Augen. "Jeder Charakter jeden Alters."
Vorliebe für gebrochene Figuren
International bekannt wird Rampling 1974 durch Liliana Cavanis Skandal-Film "Der Nachtportier", in dem sie als KZ-Überlebende eine sado-masochistische Beziehung zu einem früheren Bewacher und SS-Offizier auslebt.
"Für mich ist die Wahl der Themen und Rollen eine sehr intime und leidenschaftliche Sache", sagt Rampling später. "In meinen wichtigen Rollen ging es immer um das gleiche Thema: um komplexe Psychen, um gebrochene Figuren, um die Möglichkeit, sich vielleicht wieder aufzubauen."
Tod der Schwester
In ihrer Biografie erzählt Rampling, was sie geprägt hat: der Suizid ihrer Schwester Sarah. Dass Charlotte sich in ihrer Trauer nicht verloren hat, verdankt sie ihrem Vater. Er habe gesagt, sie solle ihr Leben leben.
Anfang der 2000er Jahre öffnet Regisseur François Ozon dem Kinopublikum die Augen für die Britin neu. In "Unter dem Sand" brilliert sie als Frau, die den Tod ihres Mannes verdrängt. In "Swimmingpool" spielt sie eine Krimiautorin mit Sinnlichkeit und Coolness.
"Sehr weit gehen"
"Die Kamera muss bei den Dreharbeiten Dein intimster Freund sein", sagt Rampling. "Deshalb brauchst Du einen Raum, in dem alles, was passieren kann, okay ist, so dass man wirklich sehr weit gehen kann mit dem, was man zeigt."
So wie in "45 Years", einem Kammerspiel von 2015 über eine lange Ehe in einer späten Krise. Wie so oft ist es da Ramplings Blick, der Bände spricht, wenn sie schweigt.
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