Berlin, 30. November 1990: Gegen 10.40 Uhr entfernt ein Bagger zwischen den Stadtteilen Pankow und Reinickendorf das letzte Stück Mauer. Damit steht innerhalb des Stadtgebietes kein Betonsegment des am 13. August 1961 von der DDR errichteten "Bollwerks gegen den Kapitalismus" mehr. Der Grenzwall hatte Berlin 28 Jahre lang getrennt. Mindestens 138 Menschen waren bei der Flucht vom Ost- in den Westteil der Stadt ums Leben gekommen, die meisten wurden erschossen.
Übrig bleiben von der ehemals rund 43 Kilometer langen innerstädtischen Grenze nur einige Meter Mauer, die aus künstlerischen oder denkmalpflegerischen Gründen stehen gelassen werden. Von der insgesamt rund 156 Kilometer langen Mauer, die rund um Westberlin verlief, ist bis zu diesem Zeitpunkt mehr als die Hälfte abgetragen und zu Straßenschotter zerkleinert.
"Mauerspechte" durchlöchern die Mauer
Die Demontage der Berliner Mauer beginnt schon kurz nach ihrer Öffnung am 9. November 1989: Bereits am nächsten Tag brechen Zivilisten zwischen der Bernauer und der Eberswalder Straße Segmente aus der Mauer und öffnen so einen neuen Übergang. Zudem betätigen sich Berliner und Touristen als "Mauerspechte": Sie schlagen kleine Brocken aus der Mauer, die auch als Souvenirs verkauft werden. Im Dezember existieren bereits zahlreiche neu geschaffene Straßenübergänge wie etwa am Potsdamer Platz und am Brandenburger Tor. Noch führen aber auch dort Staatssicherheit und Zoll der DDR weiterhin Grenzkontrollen durch.
Am 29. Dezember 1989 beschließt der Ministerrat der DDR-Übergangsregierung unter dem Ministerpräsidenten Hans Modrow in Übereinstimmung mit dem Magistrat von Ost-Berlin, die Mauer abzureißen. "Nach dem Mauerfall war das Bedürfnis: Diese Mauer muss weg und zwar sofort", sagt Historiker Rainer Klemke, der bei der Berliner Senatsverwaltung für das Konzept der Gedenkstätte an der Bernauer Straße zuständig war. Dort können heute Besucher durch einen Mauerspalt auf den "Todesstreifen" spähen: ein geharktes Schotterfeld, mittendrin ein Wachtturm. Wachhunde, Signalzäune, Flutlichtmasten sowie bewaffnete und schießbereite Grenzer sind in der Gedenkstätte allerdings nur noch auf Fotos zu sehen.
Momper: "Gut, dass die DDR sie selbst abreißt"
Am 13. Juni 1990 beginnt an der Bernauer Straße der offizielle Abriss der Grenzmauer. Auch zwischen den Stadtbezirken Mitte und Kreuzberg sowie Treptow und Neukölln werden Betonsegmente entfernt. DDR-Grenzsoldaten sind mit Kränen, Baggern und Raupen im Einsatz. "Gott sei Dank, dass sie wegkommt. Darauf haben wir lange gewartet", sagt Westberlins Regierender Bürgermeister, Walter Momper (SPD), der auch vor Ort ist. "Es ist gut, dass die DDR sie selbst abreißt."
Zwei Wochen später tritt der Staatsvertrag zwischen der Bundesrepublik und der DDR zur Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion in Kraft. Die DDR stellt nicht nur auf D-Mark um, auch die Personenkontrollen an der innerdeutschen Grenze fallen weg. Anfang Juli 1990 beginnen in Ostberlin die Beratungen über einen zweiten Staatsvertrag: den Einigungsvertrag, der am 31. August 1990 von beiden Seiten unterzeichnet wird. Nach der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 rücken auch Pioniere der Bundeswehr an und helfen mit bei der Beseitigung der Mauer.
Stand: 30.11.2015
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