Die Mongolen stehen vor den Toren, und niemand kann sie stoppen. Brandschatzend, vergewaltigend und mordend ziehen die asiatischen Truppen unaufhaltsam Richtung Westen. So jedenfalls erscheint es im Jahr 1241 nach der Schlacht bei Liegnitz. Die englischen Fischer trauen sich nicht mehr, zum Heringsfang auf die Nordsee zu fahren, und auch im Rheinland herrscht große Besorgnis.
"In diesem Jahr hörten wir von der tödlichen Niederlage des Christenvolks, vom Auftauchen der Tartaren, von deren Grausamkeit uns die Ohren klingen und unsere Herzen zittern", schreibt etwa der Chronist der Kölner Benediktinerabtei St. Pantaleon. Für viele Christen muss die Kunde vom Ansturm der Mongolen wirken wie der Beginn des Jüngsten Gerichts.
Die osteuropäischen Ritter überschätzen sich
Tatsächlich wollen die Mongolen in der Nachfolge Dschingis Khans wohl die Weltherrschaft. Bereits in den 20er Jahren des 13. Jahrhunderts dringen Zeugnisse ihrer Eroberungszüge in die Regionen nördlich vom Kaspischen Meer auch nach Westeuropa. Den dortigen katholischen Fürsten und Geistlichen ist es zunächst nur recht, dass die Mongolen gegen die "abtrünnigen" Christen der orthodoxen Ostkirche vorgehen. Als dann Gerüchte aufkommen, dass die Truppen es auch auf Europa abgesehen haben, wird es aber auch ihnen mulmig. Kundschafter werden ausgesandt.
Anfang 1238 kehrt der Dominikanermönch Julianus mit einem Brief zurück, in dem der mongolische Großkhan Ögedi den ungarischen König Béla IV. auffordert, sich zu unterwerfen. Aber die Ritter von Ungarn, Polen und Schlesien fühlen sich stark genug, der Drohung zu trotzen. Währenddessen rücken die Truppen, die von Söhnen und Enkeln des Dschings Khan angeführt werden, immer näher. Sie erobern Kiew, brennen Krakau nieder und fallen schließlich Anfang April 1241 in Schlesien ein.
Warum geht die Expansion nicht weiter?
Zu dieser Zeit ist Europa ein politischer Flickenteppich aus Fürsten- und Königtümern. Nie hat man mit Bündnissen gegen eine Bedrohung aus dem Osten vorgesorgt. Mit Unterstützung Böhmens und Österreich kann Herzog Heinrich von Schlesien gerade einmal einige tausend schwerfällig bewaffnete Kämpfer aufbringen, die am 9. April 1241 bei Liegnitz, 60 Kilometer westlich von Breslau, einer Übermacht aus beweglichen und mit Pfeil und Bogen bewaffneten Reitern gegenüberstehen.
Über die Taktik der Mongolen bei Liegnitz ist nichts überliefert. Aber vermutlich folgen sie ihrer üblichen Strategie, heranpreschend Pfeile auf die christlichen Truppen zu schießen und dann vermeintlich zu fliehen, um die ihnen ungeordnet folgenden Ritter zu umzingeln und niederzumetzeln. Herzog Heinrich fällt, seine Truppen werden vernichtet. Zwei Tage später besiegt eine zweite mongolische Armee auch das Heer von König Béla.
Warum die Mongolen ihren Siegeszug nicht bis zum Ende fortsetzen und Europa erobern, ist bis heute unklar. Fest steht, dass die Kämpfer sich zurückziehen und Schlesien sich erholen kann. Der Rückzug ermöglicht es den schlesischen Herrschern, die Niederlage in eine Heldengeschichte umzudeuten: Immerhin stimmt es, dass der Mongolensturm bei Liegnitz zum Stillstand kam. Am Ort der Schlacht wird ein Benediktinerkloster gestiftet, das bis heute besteht.
Stand: 09.04.2016
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