Carina Senel beim Wurf

HSV Solingen-Gräfrath: Gut gelaunt ins "Harakiri-Unternehmen"

Stand: 05.09.2023, 17:30 Uhr

Die Frauen des HSV Solingen-Gräfrath spielen erstmals in der Handball-Bundesliga und sind darauf mächtig stolz. Der kleine Klub gilt als klarer Außenseiter, der sich so teuer wie möglich verkaufen möchte.

Von Jörg Strohschein und Nico Karrasch

Die Fahrt nach Bietigheim dürfte für die Handball-Frauen des HSV Solingen-Gräfrath eher so etwas wie eine lehrreiche Exkursion für Neuankömmlinge sein. Denn die Frauen der SGBBM Bietigheim sind der amtierende deutsche Meister und für den eher kleinen Aufsteiger aus der nordrein-westfälischen Klingenstadt wohl doch eine Nummer zu groß.

"Da wird nicht viel zu holen sein. Die sind seit Ewigkeiten zuhause ungeschlagen", sagt Solingens Geschäftsführer Stefan Bögel dem WDR. Der Klub eröffnet mit seinem Auswärtsspiel am Mittwoch (6.9.2023) die neue Spielzeit der Handball-Bundesliga der Frauen.

Teamgeist, Emotion und Leidenschaft

Allerdings steht dieser erste Tripp wohl stellvertretend für die gesamte anstehende Saison der Solingerinnen. Es ist so etwas wie ein großes Abenteuer, auf das sich das Team von Trainerin Kerstin Reckenthäler gut gelaunt einlässt. "Wir wollen gut spielen und können aus Erfolgen auch mal Mut schöpfen. Gegen einige Teams werden wir Möglichkeiten haben, aber wir müssen eigentlich immer am Limit spielen", sagte Reckenthäler dem WDR.

Schon in der letzten Saison "waren wir nicht unbedingt das personell bestbesetzte Team, konnten das aber durch Teamgeist, Emotion und Leidenschaft kompensieren", so die Trainerin, die voll hinter dem Projekt steht. "Ich bin stolz, dass wir in den letzten Jahren zwei Ligen aufgestiegen sind. Ich halte lange an Dingen fest und bin privat hier verankert. Aber auch viele Spielerinnen haben die positive Entwicklung mitgetragen."

Kerstin Reckenthäler an der Seitenlinie

Trainerin Kerstin Reckenthäler

Kleiner Etat, keine Stars

Große Stars können sie sich in Solingen nicht leisten. Der Etat liegt gerade einmal bei rund 400.000 Euro. Die Konkurrenz hat da deutlich mehr zu bieten, liegt teilweise beim fünffachen dieses Betrags.

"Für den überwiegenden Teil unserer Mannschaft ist es das erste Jahr in der ersten Liga. Wir sind ein junges, hoch motiviertes Team und leben von unserem Tempospiel", sagt Führungsspielerin und Kreisläuferin Carina Senel, die seit 2019 den Weg von der 3. Liga bis in die höchste deutsche Spielklasse mit den Solingerinnen mitgegangen ist. "Wir kommen über die mannschaftliche Geschlossenheit."

Alles im Griff: Carina Senel (links) vom HSV Solingen-Gräfrath.

Alles im Griff: Carina Senel (links) vom HSV Solingen-Gräfrath.

Neue Strukturen schaffen

Ob diese Herangehensweise allerdings genügen wird, ist eher fraglich. "Wir haben sicherlich Außenseiterchancen, die Liga zu halten. Aber realistisch gesehen darf man nicht enttäuscht sein, wenn es am Ende wieder eine Etage runter geht", sagt Bögel. "Aber wir haben noch nie in der Bundesliga gespielt und sind da richtig stolz drauf."

Und um zukünftig die Voraussetzungen zu verbessern, will Bögel neue Stukturen rund um den Klub schaffen und eine Professionalisierung einleiten. Denn bisher wird der administrative Teil von Ehrenamtlern, zu denen sich auch Bögel zählt, auf die Beine gestellt. Nur die Spielerinnen erhalten im Klub eine eher kleine Aufwandsentschädigung. "Nach dem sportlichen Erfolg müssten nun die Strukturen nachkommen", sagt auch Trainerin Reckenthäler, die als Lehrerin arbeitet.

Gelungene Generalprobe gegen Zwickau

"Die 1.Liga ist für uns natürlich ein Harakiri-Unternehmen. Aber wir haben im Pokalwettbewerb gegen Zwickau gewonnen. Sicher für viele überraschend", sagt Bögel, der der Solinger Mannschaft eine gewisse Konkurrenzfähigkeit durchaus zutraut.

Bei der Liga-Generalprobe im Pokal hatte sich der Aufsteiger gegen den künftigen Liga-Konkurrenten BSV Sachsen-Zwickau mit 26:24 durchgesetzt. "Wir haben in diesem Spiel noch einmal Selbstvertrauen getankt", sagt Trainerin Reckenthäler. "Es war ein sehr emotionales und kampfbetontes Spiel, wir haben das gut gelöst."

Enger Abstiegskampf erwartet

Vier bis fünf Teams werden nach Meinung des Solinger Geschaftsführers darum kämpfen, nicht auf einem der drei Abstiegsplätze zu landen. Neben den Solingerinnen schätzt er Bad Wildungen, Zwickau und Halle/Saale auf ähnlichem, wenn auch etwas höherem Niveau ein. Hinzu komme ein fünftes Team, das von seinem Schicksal noch gar nichts wisse. "Wie in jeder Saison", sagt Bögel.

Für die Zukunft will der Klub weiter wachsen. "Wir arbeiten dran", sagt der Solinger Geschäftsführer.