"Launig" ist der Begriff, der wohl wie kein anderer Reiner Calmund am besten beschreibt. Wo der gebürtige Brühler mit seinem rheinischen Idiom auch auftaucht, ist beste Unterhaltung garantiert. Diesem außergewöhnlichen Calmund'schen Charme kann eigentlich niemand widerstehen. Wohl auch, weil nie jemand anderes zu Wort kommt. Eine schnellere Zunge ist äußerst schwer zu finden.
Wann immer Calmund den Raum betritt, dann ist seine Präsenz nicht zu ignorieren - er ist stets für alle da. Am Donnerstag (23.11.2023) feiert er seinen 75. Geburtstag. Seine Energie ist weiterhin überschäumend und authentisch. "Ich habe noch keine Lust, aufzuhören“, sagte er jüngst.
Ein Mann deutscher Fernsehrunden
Calmund ist weiterhin ein verbales Schwergewicht, seinen überschüssigen körperlichen Pfunde hatte er sich schließlich schon seit einiger Zeit aus Gesundheitsgründen entledigt. 187 Kilogramm brachte er in der Spitze auf die Waage. Mittlerweile, nach einer operativen Magen-Verkleinerung, sind es rund 80 Kilogramm weniger. "Es liegt nicht an den Genen. Ich esse einfach aus Vergnügen", sagte Calmund einmal, nachdem er sich selbst zum "Bauch der Nation" gekürt hatte.
Calmund ist seit vielen Jahren ein gefragter Mann in deutschen TV-Runden - ob in Sport-Talks, seiner eigenen Show (Big Boss) oder in Koch-Sendungen: Wer "Calli" einlädt, der weiß, was er bekommt.
Die Jüngeren werden ihn nur in dieser Rolle kennen und sich fragen, weshalb der ehemalige freie Mitarbeiter einer Tageszeitung (Lokalsport) dort überhaupt sitzt. Aber: Diese besonders unterhaltsame Befähigung wurde bereits vor über 20 Jahren in seiner Zeit in der Bundesliga offen gelegt.
Traumata als "Vizekusen"
Ein Alleinunterhalter war Calmund auch schon in seinem längst abgelegten Beruf als Fußball-Manager. Dort hat er sich beharrlich seinen Ruf aufgebaut. Bei Bayer 04 Leverkusen arbeitete er von 1976 - zunächst als Jugendleiter - bis 2004 und machte aus einem kaum beachteten Zweitligisten ein Spitzen-Bundesligateam, dass sich zudem einen internationalen Status erarbeitet hat. Fußball-Expertise konnte er auch vorweisen. "Ich war selbst Jugendtrainer, bevor ich den Medizinball verschluckt habe", sagte er einmal selbstironisch.
Rainer Calmund beim Champions-League-Finale 2002
Calmund gewann 1988 mit Trainer Erich Ribbeck den UEFA-Cup. Die Deutsche Meisterschaft gewann er aber nie. Das tragische Scheitern der Werkself mit Trainer Christoph Daum in Unterhaching im Jahr 2000, als Michael Ballack mit seinem Eigentor am letzten Spieltag die gesamte Tragik des Fußballs in einem Spiel aufzeigte, hängt ihm noch heute nach.
Ein Punkt hätte Calmund und seinen Leverkusenern zum Titel gereicht. Am Ende stand ein desaströses 0:2 beim Underdog, womit das Prädikat "Vizekusen" zum dritten Mal von der lachenden Konkurrenz genutzt werden konnte. "Das ist Fußball. Der kann manchmal auch grausam, ungerecht und unerklärlich sein", so Calmund.
Und zu allem Überfluss folgten im Jahr 2002 weitere Traumata. Eine zusätzliche Vize-Meisterschaft, eine 1:2 Niederlage im Champions-League-Finale gegen Real Madrid und ein 2:4 im DFB-Pokalfinale gegen Schalke 04.
Der Mann mit dem Koffer
Dass sein Klub allerdings überhaupt in diese Sphären vordringen konnte, das aber lag vor allem an Calmund. Der Leverkusen-Manager galt als der Mann mit dem (Geld-) Koffer. Seine Praktiken waren manchmal ominös, seine regelmäßigen Reisen nach Brasilien mysteriös. Und vor allem teuer - aber sportlich effektiv. Schlitzohr ist dafür wohl die richtige Bezeichnung.
Calmund hatte einst diesen Übersee-Fußball-Markt für die gesamte Liga entdeckt. "Dickes kleines Bandito", nannte ihn der brasilianische Profi Tita, der Verhandlungen mit dem Bayer-04-Manager geführt hatte. Neben Tita kamen noch viele seiner sportlich hochkarätigen Landsleute wie etwa Lucio oder Paulo Sergio unter das Bayerkreuz.
Auch nach dem Mauerfall war Clamund wieder einmal der Schnellste. Er verpflichte erst Andreas Thom und dann auch noch Ulf Kirsten. Auch Matthias Sammer hatte er schon den Kugelschreiber in die Hand gedrückt.
Der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl wollte allerdings nicht, dass alle Spieler zu einen einzigen Bundesliga-Klub wechseln und teilte der Bayer-AG sein Unbehagen mit. "Sie können die DDR nicht so einfach leer kaufen", schimpfte Kohl. Daraufhin ging Sammer nach Stuttgart.
Calmunds hemdsärmelige, direkte Art, die in dieser strikten Form im heutigen, durch-kommerzialisierten Profi-Fußball wohl nicht mehr angewendet werden könnte, hat ihm viel Anerkennung gebracht - wovon er noch heute profitiert.