Es ist Montagabend, 23.14 Uhr. Der Düsseldorfer Takashi Uchino nimmt Anlauf zum entscheidenden Elfmeter. Andreas Luthe im Kasten des VfL Bochum entscheidet sich für die rechte Ecke. Was er in diesem Moment noch nicht weiß, es ist sein letzter Sprung als Profi-Torwart. Denn Uchino jagt den Ball weit über die Latte und setzt damit den Schlusspunkt in einem wahren Relegationskrimi.
Nach dem Fehlschuss steht fest: Bochum bleibt erstklassig. Luthe aber geht den Weg ins vierte Bundesliga-Jahr in Folge nicht mit. Er beendete kurz nach dem Abpfiff seine Karriere. "Das war heute mein letztes Spiel im Profifußball. Ich werde nicht noch mal verlängern", sagte der 37 Jahre alte Torhüter und fügte schmunzelnd hinzu: "Das ist nichts mehr für mein Herz, ich muss auch an meine Gesundheit denken."
Luthes unverhoffter-Party-Abschied
Sichtlich gerührt und mit Tränen in den Augen ließ sich Luthe nach dem Spiel von den mitgereisten Bochumer Fans feiern. Dass er zum Abschied nochmal so eine Bühne bekommt, hätte der in Velbert geborene Schlussmann wohl nicht mal zu träumen gewagt. Denn Luthe, der erst im Januar zu seinem Heimatverein zurückgekehrt war, war eigentlich die klare Nummer zwei hinter Stammtorwart Manuel Riemann.
Alles deutete auf ein stilles Karriereende auf der Bank hin, doch nach dem 1:4 am 34. Spieltag bei Werder Bremen, überschlugen sich in Bochum die Ereignisse. Der Klub entschied sich, in den beiden Relegationsspielen auf Riemann zu verzichten. Der Grund: "Unüberbrückbare" Differenzen. Stattdessen sollte Luthe helfen, den VfL vor dem Abstieg zu bewahren.
Die Verantwortlichen gingen damit durchaus ein Risiko ein, denn der Oldie verfügte zwar über eine Menge Erfahrung, hatte zuletzt aber nur wenig Spielpraxis. Das machte sich dann im Relegations-Hinspiel auch prompt bemerkbar: Vor dem 0:3 ließ er einen Freistoß von Christos Tzolis nach vorne abprallen, der Abstauber war drin.
Nach diesem Spiel war die Stimmung in Bochum endgültig auf dem Tiefpunkt, kaum einer glaubte mehr an den Klassenerhalt. "Ich bin wahrscheinlich einer der Verrückten, aber auch ich habe gezweifelt", gab Luthe zu.
Luthe der Motivator
Doch dann kam das Rückspiel, in dem Bochum mit einer nicht für möglich gehaltenen Energieleistung das 0:3 aus dem Hinspiel egalisierte. Im Elfmeterschießen parierte Luthe gleich den ersten Schuss von Andre Hoffmann. Es war seine einzige Parade, aber sie war wichtig. Sie brachte Bochum den Vorteil vom Punkt.
Schon zuvor war der Keeper ein sicherer Rückhalt für sein Team, vor allem bei den zahlreichen Düsseldorfer Ecken. Er strahlte eine extreme Ruhe aus und statt zu schimpfen, wie es Riemann zuletzt oft getan hatte, motivierte Luthe seine Vorderleute - mit Erfolg.
Für Luthe schließt sich ein Kreis
Durch den Sieg über die Fortuna schließt sich für Luthe auch ein Kreis, denn für ihn war es die zweite Relegation in seiner Laufbahn. Die erste dürfte der Keeper in weniger guter Erinnerung haben: 2011 scheiterte der VfL als Zweitligist an Borussia Mönchengladbach. Der damals noch junge Luthe im Bochumer Tor zeigte zwar eine glänzende Leistung, musste aber sowohl im Hin- als auch im Rückspiel je einmal hinter sich greifen. Am Ende hieß es 1:2 aus Sicht der Blau-Weißen. Umso schöner dürfte für Luthe die jetzt doch noch erfolgreiche Relegation gewesen sein.
So verlässt er nun als großer Held die Fußballbühne. Er verabschiedet sich mit dem Klassenerhalt von dem Verein, in dem er als Jugendlicher ausgebildet wurde. 2016 verließ Luthe dann vorübergehend die Bochumer und wechselte erst zum FC Augsburg und schließlich zu Union Berlin. Mit den "Eisernen" erfüllte er sich den Traum von Europa, spielte in der Conference League. Anschließend führte sein Weg über den 1. FC Kaiserslautern zurück in die Heimat.
Rücktritt vom Rücktritt ausgeschlossen
Insgesamt kann Luthe auf 91 Spiele in der Bundesliga und 187 in der 2. Liga zurückblicken. Zudem kam er 16 Mal im DFB-Pokal zum Einsatz. Dass eventuell doch nochmal ein paar Partien dazukommen, schloss der Torwart aus. "Nein, ich habe 16 Jahre Profifußball hinter mir und eine tolle Karriere gehabt. Ich habe viel von Mitspielern und Trainern profitiert. Es gibt keinen besseren Zeitpunkt, um Danke zu sagen." Die Bochumer Fans - so viel steht nicht erst seit Montagabend fest - werden ihn nie vergessen.
Quelle: cl