Die gute Nachricht am Anfang: Trotz der aufgeheizten innenpolitischen Debatte über die Flüchtlingspolitik gewinnen rechtsextreme Parteien in NRW derzeit kaum neue Mitglieder. Dies teilte ein Sprecher von Innenminister Ralf Jäger (SPD) auf WDR-Anfrage mit. Die schlechte Nachricht: Sowohl der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz als auch Rechtsextremismus-Experten beobachten eine Radikalisierung in Teilen der braunen Szene. "In sozialen Medien posten immer mehr Personen aus dem rechtsextremen Spektrum mit Klarnamen ihre Hetze", so der Ministeriumssprecher. An diesem Montag (09.11.2015) wollen Rechtsextreme auch das Gedenken an die Opfer der antisemitischen Novemberpogrome von 1938 in Nazi-Deutschland stören. WDR.de bietet einen aktuellen Überblick über die Neonazi-Parteien in NRW:
Novemberpogrome
In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 verwüsteten Nationalsozialisten etwa 7.500 jüdische Geschäfte und Einrichtungen in Deutschland. Sie zündeten einen Großteil der rund 1.200 Synagogen und Gebetshäuser an, demolierten jüdische Friedhöfe und stürmten Wohnungen. Wie viele Menschen starben, ist unklar. Das Nazi-Regime sprach von 91 toten Juden. Historiker gehen von mehr als 1.300 Menschen aus, die in Folge des Pogroms ums Leben kamen. Mehr als 30.000 Juden wurden in Konzentrationslager verschleppt. Die Nacht gilt als Auftakt zur systematischen Vernichtung der Juden.
NRW-NPD-Chef Claus Cremer
NPD: Die 1964 gegründete NPD hat laut NRW-Verfassungsschutzbericht rund 600 Mitglieder in Nordrhein-Westfalen - mit fallender Tendenz. Der Partei droht ein Verbot. Die NPD bereite den Boden für braune Gewalt und schüre Hass gegen Ausländer, so Innenminister Jäger. NPD-Landeschef Claus Cremer wurde bei Aufmärschen von "Hogesa" und "Pegida"-Ablegern in NRW gesichtet. Über seinen Twitter-Account verbreitet er fast täglich Botschaften gegen "Asylflut", "Überfremdung" und "Lügenpresse". In einem Tweet äußerte sich Cremer positiv über einen Feuerwehrmann, der sich geweigert haben soll, brennende Flüchtlingsheime zu löschen. Wie gefährlich das NPD-Umfeld einzuschätzen ist, zeigt das Messer-Attentat Mitte Oktober auf die Kölner Kommunalpolitikerin Henriette Reker. Der Tatverdächtige soll nach Verfassungsschutz-Erkenntnissen 2008 Interesse an der NPD gezeigt haben. In jüngster Zeit sei er sporadisch in rechtsgerichteten Online-Foren in Erscheinung getreten.
Meinung des Politologen und Rechtsextremismus-Experten Alexander Häusler von der Fachhochschule Düsseldorf: "Im Unterschied zu anderen Bundesländern profitiert die organisierte Rechte nicht von der Flüchtlingsdebatte. Dies gilt auch und besonders für die NPD. Die NPD war in NRW noch nie besonders gut aufgestellt. Aktuell profitiert sie auch nicht wirklich von der Flüchtlingsdebatte. Die NPD versucht, anzuknüpfen an fremdenfeindliche Proteste gegen Flüchtlingsheime. NPD-Aktivisten laufen mit bei 'Pegida'-Ablegern in Nordrhein-Westfalen."
"Die Rechte": 2012 als Reaktion auf das Verbot von Neonazi-Kameradschaften gegründet, hat die braune Kleinpartei in Nordrhein-Westfalen knapp 300 Mitglieder. Besonders aggressiv und radikal treten Anhänger der Rechten in Dortmund auf, wo die Partei auch im Stadtrat vertreten ist. Im Kommunalparlament stellte die Partei Anfragen etwa danach, wie viele Juden in Dortmund leben - und wo sie wohnen. Dortmunder Rechtsextremisten bedrohen Lokalpolitiker, Journalisten und auch Bürger, die sich für Flüchtlinge einsetzen. Todesanzeigen wurden lanciert, Häuser mit Hakenkreuzen beschmiert, Menschen in ihrem Alltag von rechten Aktivisten bedrängt. Der von Nazis bedrohte Dortmunder Piraten-Mitarbeiter Robert Rutkowski berichtet, dass Nazis mittlerweile bei ihren Demos Hassparolen gegen ihn skandieren. Täter werden von der Staatsanwaltschaft selten ermittelt.
Vor Asylheimen marschieren die Rechten ebenfalls auf. Täglich verbreiten sie in den sozialen Medien ihren Hass auf Flüchtlinge. Die Dortmunder Szene ist seit Jahren berüchtigt: Bis heute ist etwa ungeklärt, ob die militante Dortmunder Neonazi-Gruppe "Combat 18" eine Rolle beim NSU-Mord an Mehmet Kubasik im April 2006 in Dortmund spielte.
Einschätzung von Alexander Häusler: "Die neonazistische Splitterpartei 'Die Rechte' hat durch die aktuelle Diskussion über die Flüchtlingspolitik nicht unbedingt ihren Anhang vergrößern können. Aber der eigene Anhang hat sich radikalisiert. Man muss deutlich sagen, dass hier ein Gefahrenpotenzial liegt, das in Richtung des gewaltorientierten Neonazismus geht."
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