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22. Juni 1897 - Deutsche Erstaufführung von "La Bohème"

Stand: 17.06.2022, 14:07 Uhr

Die Uraufführung wurde noch verhalten aufgenommen, der Durchbruch gelang erst ein Jahr später: Am 22. Juni 1897 war Puccinis Oper "La Bohème" zum ersten Mal in Deutschland zu sehen.

Wann fiel je eine Oper so mit der Tür ins Haus? Keine Ouvertüre, keine stimmungsmäßige Vorbereitung, keine Vorwegnahme dessen, was kommen wird. Drei Schritte, ein paar Takte nur, schon sind wir drin im Geschehen - genauer: in einer Pariser Mansardenwohnung.

Es ist ungefähr 1830, Weihnachten, es ist kalt, fürs Heizen fehlt der Künstler-WG, die hier zusammenhaust, die Kohle. Die Stimmung ist mäßig. Der Maler Marcello betrachtet missmutig sein neuestes Gemälde, der Dichter Rodolfo schaut sehnsüchtig auf die qualmenden Kamine auf den Dächern von Paris.

Das Leben ist kalt, aber sie haben die Kunst

Sie frieren, die Künstler in der Dachwohnung, und dann klopft noch der spießige Vermieter an und will die fällige Miete. Rodolfo zündet gar sein letztes Drama an für ein bisschen Wärme. Die Lage ist desolat, aber sie pfeifen drauf, dass das Leben kalt ist. Sie haben ja die Kunst. Sie sind: die Bohème.

Deutsche UA von Puccinis Oper "La Bohème" (am 22.06.1897)

WDR ZeitZeichen 22.06.2022 14:48 Min. Verfügbar bis 22.06.2099 WDR 5


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Der Komponist Giacomo Puccini fand den Stoff zu seiner vierten Oper eher zufällig: "Eines regnerischen Nachmittags, an dem ich nichts zu tun hatte, nahm ich ein Buch zur Hand, das ich nicht kannte: "Scènes de la Vie de Bohème". Henri Murgers Erzählung schlug wie ein Blitz in mich ein", schilderte Puccini später.

Die Entstehungsgeschichte lag wohl komplizierter, denn womöglich war es nicht Murgers Roman, sondern eine aktuelle Dramatisierung des Bohème-Stoffs, die hier blitzartig einschlug, aber vom Komponisten wegen unklarer Rechtefragen nicht erwähnt wird.

Uraufführung noch verhalten

Die Entstehung der Oper "La Bohème" war selbst ein Drama: Der 36-jährige Puccini wählte den Dichter Luigi Illica, der schon an seiner letzten Oper "Manon Lescaut" gearbeitet hatte. Doch Puccinis Verleger Giulio Ricordi rät, den erfahrenen Literaten Giuseppe Giacosa als Moderator mit ins Boot zu holen. Es folgen Wutanfälle, türenschlagende Abgänge, beinahe-Handgreiflichkeiten, ein Kampf um jedes Wort.

Bei der Uraufführung am 1. Februar 1896 am Teatro Regio in Turin unter der Leitung von Arturo Toscanini war das Publikumsecho noch verhalten, die Kritik kritisch. Den Durchbruch erlebte "La Bohème" erst im Jahr danach in Palermo, mit Caruso als Rodolfo. Dann ging es weiter rund um die Welt: Buenos Aires, Rio, Lissabon, London, New York. Die Oper wurde ein Welterfolg. Am 22. Juni 1897 war die deutsche Erstaufführung in Berlin.

Autor des Hörfunkbeitrags: Holger Noltze
Redaktion: Gesa Rünker

Programmtipps:

ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 22. Juni 2022 an die deutsche Erstaufführung von "La Bohème". Das ZeitZeichen gibt es auch als Podcast.

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