3. Mai 1996 - Todestag des Schriftstellers Hermann Kesten
Stand: 03.05.2021, 09:00 Uhr
"Ich hatte das Glück, viel Unglück zu überleben", sagt Hermann Kesten resümierend. Als Jude und kritischer Essayist werden seine Bücher von den Nazis verbrannt, anders als viele seiner Freunde kann er sich ins Exil retten. Und bezeichnet sich trotzdem bis zum Schluss als glücklichen Menschen.
Glück ist für Kesten vor allem "das Vergnügen zu leben, aus seinem Leben etwas zu machen, aus dem Leben anderer Menschen etwas zu machen. Anderen Menschen zu helfen." Und das tut er viel.
Der umtriebige Cheflektor
Geboren wird Kesten als Sohn eines jüdischen Kaufmanns 1900 in Podwołoczyska, Galizien. Mit vier Jahren übersiedelt er mit seiner Familie nach Deutschland, er wächst in Nürnberg auf. Nach dem Tod des Vaters 1918 beginnt er, in Frankfurt Jura, Nationalökonomie, Geschichte und Germanistik zu studieren, bricht das Studium aber 1923 ab, um sich dem Schreiben zu widmen. Drei Jahre später debütiert er mit der Novelle "Vergebliche Flucht" in der renommierten "Frankfurter Zeitung".
1927 zieht Kesten nach Berlin. Dank seiner guten Beziehungen und seines ausgeprägten kommunikativen Vermögens wird er Cheflektor des Verlags Gustav Kiepenheuer; hier fördert er mit untrüglichem Instinkt für literarische Talente und Strömungen Autoren wie Bertolt Brecht, Erich Kästner, Joseph Roth oder Anna Seghers.
Helfer der Kollegen
1928 erscheint als erster Band einer 1932 abgeschlossenen Tetralogie Kestens hochgelobter Roman "Josef sucht die Freiheit" – Kesten gilt nun als einer der eloquentesten Vertreter der Neuen Sachlichkeit. Die Machtergreifung Hitlers beendet jäh seine Karriere: 1933 flieht Kesten mit seiner Frau Toni, pendelt zwischen den drei Zentren der Exilliteratur Paris, Amsterdam und Sanary du Mer in Südfrankreich hin und her, wobei er sich abermals als Literaturvermittler hervortut. Nebenbei schreibt er historische Romane.
Nach dem Einmarsch deutscher Truppen nach Frankreich flieht Kesten mit seiner Frau 1939 in die USA. Unermüdlich besorgt er auch hier vielen Kollegen Einreisevisen, verschafft ihnen Überfahrtsspesen und rettet Manuskripte.
"Ein Sohn des Glücks"
1949 wird Kesten amerikanischer Staatsbürger. Nach langen Reisen durch Europa, auch durch das zerstörte Deutschland, bleiben Hermann und Toni Kesten schließlich 1953 in Rom. Hier entstehen Romane wie "Ein Sohn des Glücks" (1955), "Die Abenteuer eines Moralisten" (1961) oder "Ein Mann von sechzig Jahren" (1972). Der Kontakt zur deutschen Literatenszene bleibt: 1972 wird Kesten Präsident des deutschen PEN, 1974 erhält er den Büchner-Preis.
Seine geistreichen Essays und Erinnerungen versammelt Kesten in Bänden wie "Meine Freunde die Poeten" (1953) oder "Dichter im Café" (1959), die ihn in der Tradition der Kaffeehausliteratur zeigen. Er stirbt am 3. Mai 1996 in Basel, wohin er sich nach dem Tod seiner Frau in ein jüdisches Altersheim zurückgezogen hatte.
Autor des Hörfunkbeitrags: Jutta Duhm-Heitzmann
Redaktion: Gesa Rünker
Programmtipps:
"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 3. Mai 2021 an Hermann Kesten. Das "ZeitZeichen" gibt es auch als Podcast.
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