Mit einem Unterhaltungsprogramm will die Europäische Rundfunkunion (EBU) Mitte der 1950er Jahre mehr Zuschauer vor die Bildschirme locken. Die entscheidende Idee soll die BBC gehabt haben: ein Wettbewerb unter europäischen Sängern, bei dem sich die Nationen gegenseitig bewerten.
Am 24. Mai 1956 hebt sich in Lugano der Vorhang zum "Grand Prix Eurovision de la Chanson". Nur sieben Länder nehmen teil, dafür darf jedes Land gleich zwei Beiträge schicken. Tanzschritte zum Gesang sind noch unerwünscht. Schließlich wollen sich die Europäer von der oberflächlichen amerikanischen Unterhaltungskultur absetzen.
Der erste Sieg geht an die Schweiz
Freddy Quinn und Walter-Andreas Schwarz gehen für Deutschland an den Start – ohne Erfolg. Gewinnerin des Wettbewerbs, bei dem die Interpreten in Landessprache singen müssen, ist die schon bekannte Schweizer Schlagersängerin Lys Assia mit "Refrain".
Der Abend findet jedoch kaum Beachtung, noch stehen nur in sehr wenigen Wohnzimmern Fernsehgeräte. Zudem berichtet die Presse kaum über die Veranstaltung der flimmernden Konkurrenz. Niemand ahnt wohl, dass der biedere Gesangswettbewerb im Kursaal einmal weltweiten Kult-Status erlangen wird.
Ohrwürmer und Weltkarrieren
Der Aufstieg beginnt in den 1960er Jahren, als die Röcke kürzer und die Musik fetziger werden. Udo Jürgens gewinnt mit "Merci Cherie" 1966 den Wettbewerb für Österreich und legt damit den Grundstein für seine Karriere, ebenso Vicky Leandros mit ihrem Sieg 1972 für Luxemburg. Die Grand-Prix-Weltstars schlechthin bleiben jedoch die Gewinner von 1974: Abba mit "Waterloo".
Deutschlands Erfolge sind überschaubar: Die 17-jährige Nicole beschert Deutschland mit "Ein bisschen Frieden" 1982 den ersten Sieg, die kesse Abiturientin Lena Meyer-Landrut holt 28 Jahre später mit "Satellite" den zweiten.
Das Publikum darf mitbestimmen
"Das düstere Tal des Eurovision Song Contests sind die Neunziger Jahre", sagt der NDR-Journalist Thomas Mohr. Der altehrwürdige Grand Prix gilt als trutschiges Schlagerfest und braucht dringend eine Modernisierung. Also wird das Orchester abgeschafft, ein Publikumsvoting eingeführt und der Wettbewerb heißt nun "Eurovision Song Contest", abgekürzt ESC.
Auch die Auftritte werden bunter und vielfältiger: 1998 holt die transsexuelle Dana International für Israel die ESC-Krone. Die schillernde Kunstfigur Verka Serduchka aus der Ukraine schafft es 2007 immerhin auf Platz zwei. Aber es geht auch leiser: 2017 gewinnt der Portugiese Salvador Sobral mit einer Jazz-Ballade. Für die weltweiten ESC-Fans geht nur eins nicht: Dass der Contest ausfällt – so wie 2020 wegen der Corona-Pandemie.
Autorin des Hörfunkbeitrags: Jana Fischer
Redaktion: Gesa Rünker
Programmtipps:
"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 24. Mai 2021 an den ersten "Grand Prix de la Chanson" Das "ZeitZeichen" gibt es auch als Podcast.
ZeitZeichen am 25.05.2021: Vor 85 Jahren: Eröffnung des Freilichtmuseums Oerlinghausen