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Der angeklagte Bruno Fabeyer am 23. November 1967 bei Beginn der Urteilsverkündung im Landgericht Osnabrück

23. November 1967 - Das Landgericht Osnabrück verkündet sein Urteil gegen Bruno Fabeyer

Es ist einer der spektakulärsten Strafprozesse der Nachkriegszeit: Erst wird Bruno Fabeyer als "Moormörder von Osnabrück" gejagt und dann zu lebenslangem Zuchthaus verurteilt. Das Problem: Sein Richter ist ein Ex-Nazi.​

Die Fahndung nach Bruno Fabeyer in den 1960er-Jahren ist ein Massenevent: Neben Hundertschaften der Polizei beteiligen sich auch Schützen- und Jagdvereine, Feuerwehrleute und sogar Besitzer von Privatflugzeugen. 18 Monate lang dauert die Suche. Fabeyer ist seinen Verfolgern immer wieder einen Schritt voraus. Sie finden nur Spuren von ihm: Kleidung, Essensreste und vor allem Schokoladenpapier.

Der Gesuchte haust über Jahre im Unterholz oder in abgelegenen Scheunen. Auf norddeutschen und westfälischen Bauernhöfen klaut er vor allem Lebensmittel. Später gesteht er hunderte Einbrüche. Bei einem dieser Einbrüche schießt Fabeyer auf einen Postbeamten, der danach gelähmt ist. Kurze Zeit später schießt der Flüchtige auf einen Polizisten. Diesmal sind die Schüsse tödlich.

Urteil gegen den "Moormörder" Bruno Fabeyer (am 23.11.1967)

WDR Zeitzeichen 23.11.2022 14:48 Min. Verfügbar bis 22.11.2099 WDR 5


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NS-Erziehungsheim, Gestapo-Haft, Konzentrationslager

Bruno Fabeyer kennt sich in der Gegend gut aus. Er wird 1926 bei Osnabrück geboren. Die Eltern trennen sich, als er in die Schule kommt. Wenige Jahre später erhängt sich sein Vater in einer Gefängniszelle. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wird Bruno in das Provinzial-Erziehungsheim Göttingen eingewiesen - eine NS-Einrichtung, in der Kinder geschlagen und in großer Zahl zwangssterilisiert werden.

Während des Zweiten Weltkrieges wird der 18-Jährige zur Wehrmacht eingezogen. Als er nach kurzer Zeit desertiert und zu seiner Mutter flüchtet, kommt er zwei Wochen in Gestapo-Haft und wird verprügelt. Danach muss er in Konzentrationslagern Zwangsarbeit leisten: Buchenwald, Sengershausen, Mauthausen, Dora und Solstadt.

Raubzüge für den Lebensunterhalt

Nach Kriegsende zieht Fabeyer umher und stiehlt. Immer wieder kommt er deshalb in Haft. Auf seinen Raubzügen erbeutet er selten mehr als das, was er für den nächsten Tag braucht. Wenn ihm die Fahnder zu nahe kommen, versteckt er sich im Moor oder im Matsch eines Schweinestalls.

Genau ein Jahr nach den tödlichen Schüssen auf den Polizisten ist damit allerdings Schluss: Fabeyer, der mittlerweile als "Waldmensch" und "Moormörder" gilt, wird am 24. Februar 1967 erkannt und verhaftet - auf der Toilette eines Kasseler Kaufhauses. Neun Monate später eröffnet die Große Schwurgerichtskammer in Osnabrück den Prozess.

Wehrmachtsrichter spricht Urteil

Nach nur vier Tagen wird am 23. November 1967 das Urteil gesprochen: lebenslängliches Zuchthaus und Sicherungsverwahrung. Fabeyers Richter ist allerdings befangen: Friedrich Jagemann, Vorsitzender Richter am Landgericht Osnabrück, war in der NS-Zeit nicht nur Mitglied von NSDAP und SA, sondern von 1934 bis Kriegsende Wehrmachtsrichter.

Doch das spielt damals keine Rolle. Erst viele Jahre später wird der Bundesgerichtshof entscheiden, dass die mehr als 30.000 Todesurteile, die von der NS-Militärjustiz gefällt wurden, Unrecht sind. Für den Bremer Rechtshistoriker Peter-Lutz Kalmbach ist es deshalb auch Unrecht, dass ein solcher Richter über Fabeyer Recht sprechen durfte.

Abgesehen von den Taten, die man Fabeyer in der Bundesrepublik vorgeworfen habe, sei dieser im "Dritten Reich" ein Opfer gewesen. "Der Mensch, der über ihn zu Gericht saß, war damaliger Täter", so Kalmbach.

Unterstützung von Gisela Zuckmayer

Für die breite Öffentlichkeit zählt jedoch nur, dass der "Moormörder" in der Haftanstalt Celle weggesperrt wird. Es gibt allerdings eine Frau, die sich für Fabeyer einsetzt. Gisela Zuckmayer, Sozialdemokratin, 1938 vor den Nazis aus Deutschland geflohene Schwägerin des Schriftstellers Carl Zuckmayer, weist Ministerpräsidenten und Minister darauf hin, dass der Verurteilte "mit vollem Recht zu den 'Verfolgten des Naziregimes'" hätte zählen können.

Ende 1971 darf sie Fabeyer zum ersten Mal in der Haft besuchen. Fünf Jahre später erhält er Freigang, um Heiligabend in Gisela Zuckmayers Wohnung zu feiern. 1982 stellt sie einen offiziellen Begnadigungsantrag, dem fünf Jahre später stattgegeben wird. Dem 61-jährigen Fabeyer bleiben noch zwölf unauffällige Jahre in Freiheit. Zuckmayer ist bereits zwei Jahre vor seiner Begnadigung gestorben.

Autor des Hörfunkbeitrags: Arnd Henze
Redaktion: David Rother

Hinweis: Der Vater des Autors war in den 1970er-Jahren im niedersächsischen Justizministerium für den Strafvollzug tätig. Die Recherchen basieren neben öffentlich archivierten Dokumenten auch auf der persönlichen Handakte des Vaters.

Programmtipps:

ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 23. November 2022 an das Urteil gegen Bruno Fabeyer. Das ZeitZeichen gibt es auch als Podcast.

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