Martin Lüttge im Spielfilm "Der Lord von Barmbeck", in dem er den Ein- und Ausbrecher Julius Adolf Petersen verkörpert

Im Dezember 1927 - Der Einbrecher Adolf Petersen schreibt im Gefängnis seine Memoiren

Im Ganovendeutsch ist Adolf Petersen ein "Schränker". Der Hamburger bricht Anfang des 20. Jahrhunderts Panzerschränke auf und leitet eine Verbrecherbande. Sein Spitzname ist "Lord von Barmbeck".

Mit 13 Jahren büxt Adolf Petersen aus. In der Schule regiert der Rohrstock. "Bei Züchtigungen trat mein Widerstandsgeist besonders zutage", schreibt er später in seinen Memoiren. "Vier Wochen lang schwänzte ich die Schule, aus Angst vor dem Vater ging ich nicht nach Hause." Es ist Winter. Er versteckt sich, friert - und klaut, was er zum Leben braucht.

Die Zeit auf der Straße prägt den Jugendlichen, der am 7. Oktober 1882 in Hamburg geboren wird und im Stadtteil Barmbeck aufwächst. "In diesen vier Wochen hatte ich Gift getrunken. Gift in vollen Zügen." Bereits mit 13 Jahren muss er für fünf Tage in Haft, weil er ein gefundenes Portemonnaie unterschlagen hat. Er beginnt verschiedene Ausbildungen, bricht aber alle wieder ab.

Panzerknacker Adolf Petersen schreibt 1927 seine Memoiren

WDR ZeitZeichen 22.12.2022 14:55 Min. Verfügbar bis 22.12.2099 WDR 5


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Vom Wirt zum Panzerknacker

Mit 19 Jahren begeht Petersen seinen ersten Einbruch. Weil seine Komplizen ihn verraten, flieht er vor der Polizei nach Dänemark. Dort arbeitet er zunächst als Pferdeknecht. Als er sich verliebt, stiehlt er ein Pferd und reitet mit der Angebeteten nach Deutschland zurück. Aus der geplanten Verlobung wird jedoch nichts. Stattdessen steigt Petersen ins kriminelle Milieu ein. Schon bald muss er wegen Einbruchs für vier Jahre ins Gefängnis.

Als er nach drei Jahren wegen guter Führung freikommt, eröffnet er eine Kneipe. Dort trifft er eine junge Frau von der Heilsarmee. Die beiden heiraten, aber die Auserwählte soll zur Verschwendung geneigt haben. So beginnt Petersen Karriere als Panzerknacker: Er etabliert sich als einer der wenigen Profis, die Geldschränke öffnen können.

"König der Ausbrecher"

Während des Ersten Weltkrieges muss Petersen nicht an die Front, weil er vorbestraft ist. Im Dezember 1917 wird er aufgegriffen, weil gegen ihn ein Haftbefehl besteht. In der Untersuchungshaft besticht Petersen das Wachpersonal und kann aus dem Gefängnis ausbrechen. Es ist nicht das erste und nicht das letzte Mal. Die Presse betitelt ihn als "König der Ausbrecher".

Petersen weitet sein Geschäftsfeld aus - illegales Glücksspiel, Drogenhandel, Geldfälschung. Er baut ein Netzwerk von Tippgebern auf. Rund 70 Menschen sind an seinen Straftaten beteiligt. Rund ein Dutzend von ihnen gehört zum harten Kern. Auch Adolfs jüngerer Bruder Arnold ist Mitglied der Petersen-Bande. Die Polizei spricht von der "Barmbecker Verbrechergesellschaft".

Im Hotel geschnappt

Petersen tritt mittlerweile wie ein Geschäftsmann auf - mit Melone, Anzug, Krawatte und Lackschuhen. Daher wird er auch "Lord von Barmbeck" genannt. Seiner neuen Lebensgefährtin schenkt er ein Hotel in der Hamburger Innenstadt. Dort wird Petersen im Juni 1921 von der Polizei geschnappt.

Es werden Diebesgut beschlagnahmt und mehr als 400 Personen vorgeladen. Alibis platzen, Banden-Mitglieder machen Geständnisse. Am Ende gesteht auch Petersen "49 bandenmäßig ausgeführte Einbrüche und Räubereien", wie es im Gerichtsprotokoll heißt. Er habe "63 Mittäter und Hehler" benannt.

700 handschriftliche Seiten

Das Urteil lautet: "50 Jahre, drei Monate und zwei Wochen Zuchthaus". Daraufhin beginnt Petersen in der Hamburger Haftanstalt Fuhlsbüttel seine Memoiren zu schreiben. 1927 ist er damit fertig. Die mehr als 700 handschriftliche Seiten verschwinden zunächst im Archiv.

Petersen selbst kommt 1932 noch einmal auf freien Fuß - probeweise. Doch er wird schnell rückfällig und muss zurück ins Gefängnis. Dort erhängt sich der 51-Jährige am 21. November 1933, ohne einen Abschiedsbrief zu hinterlassen. Seine Memoiren werden 40 Jahren nach seinen Tod veröffentlicht.

Autor des Hörfunkbeitrags: Marko Rösseler
Redaktion: Hildegard Schulte

Programmtipps:

ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 22. Dezember 2022 an Adolf Petersen. Das ZeitZeichen gibt es auch als Podcast.

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