Kaum ein Thema beschäftigt die EU-Mitgliedsstaaten so intensiv und langanhaltend wie die Migration. Weitgehend Einigkeit gibt es bei den Staats- und Regierungschefs darüber, dass Abschiebungen an den Außengrenzen beschleunigt werden sollen, wie das Treffen in Brüssel gezeigt hat. Kontrovers diskutiert wurden jedoch die Alleingänge einzelner EU-Staaten
So will Italien Asylanträge im Schnellverfahren außerhalb der EU in Albanien entscheiden. Kürzlich sind dort die ersten 16 Männer angekommen. Im Gegensatz zum gestoppten "Ruanda-Modell" von Großbritannien werden die Anträge jedoch nicht von einheimischen, sondern italienischen Behörden bearbeitet. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zeigte sich in Brüssel skeptisch und begründete das damit, dass man logistisch nur eine kleine Zahl von Asylverfahren auslagern könnte. Menschenrechtsorganisationen sehen diese Konzepte kritisch und warnen vor dem Umgehen von EU-Standards und Menschenrechtsverstößen.
Griechenland verteilt Migranten auf verschiedene Flüchtlingslager auf seinen Inseln, wo ebenfalls im Schnellverfahren entschieden werden soll. Während sich das Lager auf der Insel Lesbos noch im Bau befindet, gibt es Vorwürfe, dass sich die griechische Küstenwache an illegalen Pushbacks beteiligt und Geflüchtete zurück in die Türkei gedrängt hat.
Seit dem Terroranschlag in Solingen gibt es an allen deutschen Landgrenzen Kontrollen. Das solle auch vorerst so bleiben, bis es eine europäische Lösung für eine stärker geschützte Außengrenze gebe, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Mehrere EU-Partner äußerten zuletzt Unverständnis für die Entscheidung der Bundesregierung.
Die Regierungen von Ungarn und der Niederlande wollen von den gemeinsamen Asylregeln ganz ausgenommen werden. Polen plant, das Asylrecht vorübergehend auszusetzen. Dieses werde "instrumentalisiert” und habe nichts mit Menschenrechten zu tun, sagte Regierungschef Donald Tusk mit Blick auf Migranten, die über Belarus einreisen. Nach Einschätzung von Ursula von der Leyen passen solche Maßnahmen in den Rechtsrahmen, wenn sie "vorübergehender Natur" und verhältnismäßig sind, wie die Präsidentin der Europäischen Kommission betonte.
Was halten Sie von den Vorgehensweisen der Länder? Was sollte die deutsche Regierung tun? Brauchen wir eine gesamteuropäische Lösung? Oder ist es richtig, dass die Mitgliedstaaten jetzt schon nach eigenen Lösungen suchen?
Rufen Sie uns während der Sendung an (WDR 5 Hotline 0800 5678 555).
Gast: Gerald Knaus, Migrationsforscher
Redaktion: Jonas Klüter und Julia Lührs