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Mouhanad Khorchide

Mouhanad Khorchide: Politischer Islam, Pilgern, Pädagogik

Stand: 27.12.2024, 16:00 Uhr

Welche Rolle Muslime in der deutschen Gesellschaft spielen, ist immer noch umstritten. Ausgrenzung auf der einen Seite, Angst vor Radikalisierung auf der anderen. Der islamische Theologe Mouhanad Khorchide ist eine zentrale Figur in dieser Debatte.

Gewalt und Diskriminierung

Neujahr ist ein guter Ausgangspunkt für Bilanz und Vorausschau. Das vergangene Jahr war für Musliminnen und Muslime in Deutschland schwierig. Das ist vor allem mit dem Anschlag in Solingen im August 2024 verbunden, bei dem drei Menschen starben. Der Tatverdächtige: ein islamistisch radikalisierter Geflüchteter aus Syrien. Seitdem überbietet sich die politische Debatte mit der Forderung nach drastischen Konsequenzen, die Bundesregierung verschärfte Sicherheits- und Asylregeln. Muslimische Communities stehen vor der Frage, wo eigentlich ihr Platz ist, zwischen Ablehnung von Gewalt und wachsender Diskriminierung.

Gespräche mit Ministern und Imamen

Auch der islamische Religionspädagoge Mouhanad Khorchide beschäftigt sich mit Solingen und den Konsequenzen, auf ganz verschiedenen Ebenen: Er berät das Bundesinnenministerin bei der Frage, wie islamistische Radikalisierung verhindert werden könnte. Er versucht, muslimische Pädagogen und Imame wechselseitig für religiöse und soziale Fragen zu sensibilisieren. Und er vermittelt immer wieder ein Bild vom Islam in die nichtmuslimische Mehrheitsgesellschaft.

Ein Islam unter deutschen Bedingungen

Seit 2010 ist Khorchide Professor an der Universität Münster. In diesem Zeitraum wurde die islamische Theologie immer wichtiger genommen. Gleichzeitig wird der Dialog in die Gesellschaft hinein komplizierter: die muslimischen Stimmen werden vielfältiger, die politischen Positionen der Gesamtgesellschaft extremer, das Potenzial für Verständigung geringer. Mouhanad Khorchide versucht, dem entgegenzuwirken. Er formuliert Grundzüge eines Islams, der unter deutschen Bedingungen plausibel ist. Und er denkt neu über rituelle Praktiken wie das Pilgern nach.

Zur Person:

Mouhanad Khorchide wurde 1971 in Beirut geboren und wuchs im saudi-arabischen Riad auf. Er kommt aus einer palästinensischen Familie. Zum Studium ging er nach Österreich. In Wien studierte er Soziologie, daneben in einem Fernstudium islamische Theologie in Beirut. 2008 promovierte er mit einer Untersuchung zu Lehrkräften im islamischen Religionsunterricht. Khorchide arbeitete selber als Religionslehrer und Imam, bevor er 2010 an die Universität Münster wechselte. Dort forscht er seitdem auf der Professur für islamische Religionspädagogik und leitet seit 2012 das gesamte Zentrum für islamische Theologie. 2012 wurde er mit dem Buch "Islam ist Barmherzigkeit" eine prägende Stimme in der Diskussion darum, wie gegenwärtiger Islam in Deutschland aussehen kann. In den letzten Jahren beschäftigte sich Khorchide vor allem mit dem politischen Islam: 2020 als Vorstand einer neugegründeten Dokumentationsstelle zum Thema in Österreich, seit 2024 als Leiter der "Forschungsstelle Islam und Politik" an der Universität Münster.

Ausgewählte Literatur:

Mouhanad Khorchide: Ein Muslim auf dem Jakobsweg – Pilgererfahrungen der anderen Art, Herder Verlag 2024, 176 S., 18 Euro

Mouhanad Khorchide: Gottes falsche Anwälte – Der Verrat am Islam, Herder Verlag 2020, 256 S. (ebook), 16,99 Euro

Mouhanad Khorchide: Islam ist Barmherzigkeit – Grundzüge einer modernen Religion, Herder Verlag 2015, 224 S. (ebook), 7,99 Euro

Moderation: Kirsten Dietrich

Redaktion: Christina-Maria Purkert

Mouhanad Khorchide: Politischer Islam, Pilgern, Pädagogik

WDR Religion 01.01.2025 54:17 Min. Verfügbar bis 01.01.2026 WDR 5


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