Das Grundgesetz geht alle an! - Thomas Gottschalk über Artikel 12

WDR 3 04.08.2017 01:41 Min. UT Verfügbar bis 04.08.2180 WDR 3

Thomas Gottschalk: Artikel 12 - Berufsfreiheit

Stand: 14.05.2019, 12:00 Uhr

Bei ihm sei bei der freien Berufswahl alles nach Plan verlaufen – auch ohne den Artikel 12 zu kennen, so Thomas Gottschalks Resümee zum Grundgesetz auf WDR 3. Einen Job im Dschungelcamp würde er nie annehmen - denn das verstoße gegen einen anderen wichtigen Artikel des Grundgesetzes.

Thomas Gottschalk über Artikel 12 - Berufsfreiheit

WDR 3 Kultur am Mittag 03.08.2017 02:52 Min. Verfügbar bis 30.12.2099 WDR 3


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Meine Generation, deren erste Lebenserfahrung in den muffigen 50er-Jahren wurzelt, ist in dem Bewusstsein aufgewachsen, dass dem Staat grundsätzlich mit Misstrauen zu begegnen sei. Die Nazidiktatur steckte allen noch in den Knochen. Die moralische Richtschnur war deshalb für viele von uns weniger das gerade entstandene Grundgesetz als vielmehr der wiederentdeckte Werte-Katalog der zehn Gebote. Für mich, als Spross katholischer Eltern und eifriger Messdiener, reichte es, in etwa die Stelle des Grundgesetzes zu kennen, nach der alle Menschen gleich sind und jeder sagen darf, was er will. Fand ich in Ordnung. Letzteres kollidierte etwas mit dem achten Gebot, nach dem man zwar auch alles sagen darf, aber nicht die Unwahrheit. Fand ich weniger in Ordnung.

Rasenmähen, Schuhe putzen und Treppenkehren

Dass es im Grundgesetz auch einen Artikel 12 gibt, ist mir erst aufgefallen, als der WDR mich gebeten hat, mich dazu zu äußern. Leider zu spät. Sonst hätte ich meiner Mutter und meinen Lehrern dessen zweiten Absatz fast täglich um die Ohren gehauen:

„Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden.“

Rasenmähen, Schuhe putzen und Treppenkehren wurden von mir in regelmäßigem Abstand genauso selbstverständlich erwartet wie das Einpauken von lateinischen Verben und das Auswendiglernen mathematischer Formeln. Gesetzwidrig, wie ich eben erfahren habe. Mein später Einspruch ist wahrscheinlich verjährt und die Schuldigen sind nur noch in Einzelfällen am Leben. Schwamm drüber.

Berufsfreiheit - alles nach Plan verlaufen

Zudem ist bei Absatz 1 von Artikel 12 des Grundgesetzes für mich alles nach Plan verlaufen:

„Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen.“

So ungefähr war meine Bewerbung als Discjockey beim Bayerischen Rundfunk Anfang der 70er-Jahre auch formuliert. Zur Sicherheit hatte ich noch angefügt, dass man dem einen oder anderen bereits dort tätigen Mitarbeiter dieses Recht wegen Unfähigkeit hätte verweigern müssen. Aber der öffentlich-rechtliche Rundfunk war schon damals eine dem Grundgesetz verpflichtete Anstalt des öffentlichen Rechts und ließ jeden Dilettanten ans Mikrofon.

Hätte ich damals schon gewusst, dass dies nicht der Unfähigkeit der Verantwortlichen, sondern dem Artikel 12 Absatz 1 des Grundgesetzes geschuldet war, hätte ich mich weniger über diese Stümper aufgeregt.

Dschungelcamp? Würdelos!

Den Absatz 3 dieses Artikels hoffe ich nie für mich reklamieren zu müssen:

„Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.“

Ein weiterer Grund, dem Ruf ins TV-Dschungelcamp, der mich wahrscheinlich irgendwann erreicht, auf keinen Fall zu folgen. Dessen Freiheitsentziehung ist zwar eine freiwillige Leistung derer, die sich dorthin verirren, und die bei dieser Veranstaltung geforderten Zwangsarbeiten werde mit Sternen und kurzfristigem Weltruhm belohnt. Aber das ganze Unternehmen ist ein Verstoß gegen den Satz des Grundgesetzes, den ich für den wichtigsten halte: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“