Das Grundgesetz geht alle an! - Dunja Hayali über Artikel 1
WDR 3. 17.05.2017. 00:47 Min.. UT. Verfügbar bis 17.05.2180. WDR 3.
Dunja Hayali über Artikel 1 - Menschenwürde
Stand: 26.04.2019, 12:00 Uhr
Für die Journalistin Dunja Hayali bedeutet Menschenwürde: "Respekt vor der Eigenart jedes einzelnen Menschen". Das heißt für sie auch, dass jeder selbst bestimmen darf, wie er leben und wen er lieben will, sagt sie bei WDR 3.
Ein paar Dinge gibt es, die kann man einfach nicht besser machen und nicht besser sagen. Dazu gehört auch der ganz kurze und schlichte Artikel 1 unseres Grundgesetzes. "Die Würde des Menschen ist unantastbar." Punkt. So klar. So gut. Der einzige Satz, der keine Grenzen kennt. Im zweiten Satz heißt es: "Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt."
Das sind schon ganz schön große Geschütze, die da aufgefahren werden. Die Würde jedes einzelnen Menschen wird geachtet und vom Staat ausdrücklich geschützt. Im Grunde bedeutet es ja, dass die Würde des Menschen prinzipiell bedroht ist, sonst müsste man nicht so explizit darauf hinweisen, dass der Staat verpflichtet ist, die Würde jedes einzelnen zu beschützen.
"Jeder darf selbst bestimmen, wen er liebt"
Wie kann man aber diesem Begriff überhaupt näher kommen, der "Würde des Menschen"? Was bedeutet das eigentlich? Es bedeutet die Achtung vor dem Wert eines Menschen. Es bedeutet Respekt vor der Eigenart eines jeden Menschen. Jeder darf selbst bestimmen, wer er ist, wie er ist, wie er leben will und wen er lieben will. Und er darf erwarten, dass das respektiert und geachtet wird. Das ist die Würde des Menschen. Eine kostbare Sache. Ein Menschenrecht, das man sich nicht verdienen muss und das voraussetzungslos ist.
"Hass und Gewalt sind präsent und alltäglich"
Und doch wird die Würde des Menschen jeden Tag, jede Stunde, jede Minute, eigentlich jede Sekunde immer wieder verletzt, ohne dass der Staat schützend eingreift wie es doch eigentlich das Grundgesetz vorsieht. Hass und Gewalt sind so präsent und alltäglich geworden. Und wir haben uns fast schon dran gewöhnt. Aber das sollten und das dürfen wir nicht. Wenn der Staat hier nicht jeden einzelnen beschützen kann, dann müssen wir selbst als Bürgerinnen und Bürger dieses Landes eingreifen und nachsteuern. Und jeder einzelne kann etwas dazu beitragen. Im Kleinen, wie im Großen.
Es erstaunt mich immer wieder, wie aktuell und universell das deutsche Grundgesetz eigentlich ist. Egal wie stark der Wind bläst und welche Stürme noch über uns hinwegrasen werden. Der Artikel 1 bleibt immer modern und gültig. Es ist ein echter Klassiker, obwohl sich die Welt in so rasantem Tempo verändert und auch grundlegend wandelt.
"Als Mahnung, uns nicht über andere zu erheben"
Die Verfasser des Grundgesetzes haben all ihre Weisheit in diesen einen Satz gelegt. Nach einer heftigen Epoche von Unterwerfung, Gleichschaltung und Unmenschlichkeit, in der der einzelne Mensch nichts wert war, blieb das stehen als Mahnung an uns alle, uns nicht über andere zu erheben. Denn alle Menschen sind gleich, und jeder einzelne hat seine Würde und seinen Stolz. Das hat dann mit Geld und materiellen Werten nichts zu tun. Dass man jedem Menschen seine Würde lässt – und diese Würde sogar noch gegen Angriffe verteidigt – und das auch noch in den ersten Artikel des Grundgesetzes schreibt, das ist eine wunderbare Errungenschaft einer fortgeschrittenen und reifen Gesellschaft.
"Nicht nur die Würde des deutschen Menschen"
Es ist wichtig, dass wir uns jeden Tag daran erinnern, dass Demokratie kein Selbstbedienungsladen ist und dass es keine Selbstverständlichkeit ist, in einer Demokratie zu leben. Dass es etwas zu verteidigen gibt, was wir Jahrzehnte für selbstverständlich hielten. Unser Grundgesetz ist eine schlichte, kurze Bedienungsanleitung für das friedliche und glückliche Zusammenleben aller Menschen in diesem Land. Es gilt ausnahmslos für alle. Und der Staat beschützt jeden einzelnen in seiner Eigenart, denn er schützt "Die Würde des Menschen." Und nicht nur die des deutschen Menschen. Und ich muss Ihnen ehrlich sagen: Ich bin ziemlich glücklich, in so einem Staat zu leben, der das seinen Bürgern garantiert.