Der kanadische Pianist Chilly Gonzales während seines Auftritts beim 57. Montreux Jazz Festivals auf.

F*ck Wagner? Künstler und Werk trennen? Geht das? Was soll das?

„F*ck Wagner“, die neue Single von Chilly Gonzales, wirft Fragen auf. Aber bitte keine Fragen, die mit „Darf man heute noch…“ beginnen. Eher schon Fragen mit „was passiert wenn…?“ Canceln? Boykott? Verdrängen? Hin & Weghören? Burn, Bayreuth, burn?

„F.*.C.K Richard Wagner
Was für ein verdammtes Monster"

Mit diesen Worten beginnt „F*ck Wagner“, die neue Single von Chilly Gonzales, laut Selbstauskunft: „Wahlkölner seit 2012 mit jüdischen Wurzeln, aber auch Fan von Richard Wagners Musik.“ Zur Erklärung des F-Worts zitiert er den deutschen Komponisten, also den Immernoch-Lieblingskomponisten vieler Deutscher, mit einem seiner Klassiker: „Der Jude ist der plastische Dämon des Verfalls der Menschheit.“

Fan seiner Musik, Zielscheibe seines Antisemitismus. Aus seinem Wagner-Zwiespalt macht Chilly Gonzales nicht nur einen catchy plakativen Popsong, in dem mit Kanye West und R.Kelly zwei andere Popstars auftauchen, die es einem schwermachen, ihre Musik (weiter) zu lieben, vorsichtig gesagt. „F*ck Wagner“ ist darüberhinaus auch die Fanfare zu einer Kampagne des Wahlkölners. „Ich verspüre Wut und Scham, wenn ich die Richard-Wagner-Straße entlanggehe“, schreibt Chilly Gonzales in einem Brief an die Kölner Oberbürgermeisterin, in dem er sie auffordert, die Richard-Wagner-Straße in Tina-Turner-Straße umzubenennen.

„Richard Wagner war ein großer Komponist, aber ein monströser Mensch. Wir betrachten das Europa des späten 19. Jahrhunderts als Hort vieler veralteter Ideen – insbesondere Vorurteile gegenüber Juden, aber Wagner nutzte seine Position als führender Intellektueller, um in seinem Buch „Das Judenthum in der Musik“ (1869) den Antisemitismus zu fördern.“

Wagner, West & Kelly sind nicht die einzigen Musiker, die man am liebsten trennen würde von ihrer Musik, nicht die einzigen Künstler, die man am liebsten trennen würde von ihrer Kunst.

Die Umbenennung der Straße sei kein Akt der Cancel Culture, sondern der Versuch, die Kunst vom Künstler zu trennen, sagt Chilly Gonzales.

Aber wie soll das gehen? Und welche Rolle wird Ike Turner spielen dereinst in der Tina-Turner-Straße, ihr gewalttätiger Ex-Ehemann, mit dem sie ihre besten Songs aufnahm, wie einige meinen, unter der Regie des Frauenmörders Phil Spector, by the way.

Also starring: Diedrich Diederichsen und Schneider TM über die Ambivalenzen beim Morrisseyhören.

F*ck Wagner? Künstler und Werk trennen? Geht das? Was soll das?

WDR 3 Ex & Pop 23.04.2024 59:32 Min. Verfügbar bis 24.04.2025 WDR 3 Von Klaus Walter


Wedden Skank | 3:25
Glen Brown

F*CK WAGNER | 3:40
Chilly Gonzales

Stronger | 5:41
Kanye West ft. Daft Punk

Hotline Bling | 4:26 
Drake

Ignition (Remix) | 3:09
R.Kelly

Wedding march | 2:01
Gary Lucas

In-A-Gadda-Da-Vida | 17:05
Iron Butterfly

Marsch der Walküre | 1:01
Temple City Kazoo Orchestra

Ride of the valkyrie | 2:45
Curd Duca

Untitled | 6:15
Gas

River Deep Mountain High | 2:21
Ike & Tina Turner

You have killed me | 3:08
Morrissey

The light 3000 | 4:30
Schneider TM & KptMichigan 

Cherry Bomb | 2:20
The Runaways

Rename The Streets | 3:44
Daniel Haaksman

Reclaim The Streets | 4:00
Shut Up And Dance

Moderation: Klaus Walter
Redaktion: Markus Heuger