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Elisabeth Teige (Freia), Attilio Glaser (Froh), Christa Mayer (Fricka) in „Das Rheingold“ bei den Bayreuther Festspielen 2022

01.08.2022 – Wagner, "Das Rheingold" bei den Bayreuther Festspielen

Stand: 01.08.2022, 09:30 Uhr

Valentin Schwarz ist mit 33 Jahren der zweitjüngste Regisseur bei den Bayreuther Festspielen nach Patrice Chéreau und seinem "Jahrhundertring" 1976. Sein Inszenierungsansatz von Wagners "Ring des Nibelungen" wirkt ehrlich und sympathisch zurückgenommen: Nicht länger soll es um ein Ideen- oder Weltanschauungstheater gehen, das den Figuren von Wotan bis Alberich, von Loge bis Mime, von Fricka bis Erda übergestülpt wird, sondern man will ohne ideologischen Ballast die Geschichte dieser Großfamilie wie in einer Fortsetzungsserie erzählen.

Dabei wollte man sich von Wagners Leitmotiven inspirieren lassen, ohne die dort gemeinten Requisiten oder Topoi auf der Bühne zu verdoppeln, also kein Gold, keinen Ring, keinen Speer, keinen Riesenwurm usw. zeigen, sondern ein eigenes System szenischer Leitmotive entwickeln. Das wiederum erwies zumindest im "Rheingold“ als überambitioniert und dann doch wie von außen an das Stück herangetragen. So werden während des Vorspiels im Video Zwillinge in einer Fruchtblase gezeigt, die Alberich und Wotan vorstellen sollen. So sind die Rheintöchter Erzieherinnen einer Kinderschar, aus der Alberich einen sich später als hochbegabt zeigenden Jungen entführt, anstatt das Rheingold zu rauben. Dieser Alberich ist so etwas wie der Underdog der Großfamilie, während Wotan ein Erfolgsmensch, dessen in einem weißen Pyramidenmodell vorgestellte unternehmerische Vision wohl die Burg Walhall symbolisiert.

Diesen neuen Chiffrierungen sind allesamt recht kompliziert und können im "Rheingold“ die für eine Familien-Saga nach der Dramaturgie einer Netflix-Serie notwendige Spannung nicht oder noch nicht entfalten. Dass z. B. Alberich sich um die Erziehung des entführten Knaben im gelben T-Shirt kümmert und seine Talente entwickelt, als eine Entsprechung zum Schmieden des Allmacht versprechenden Rings gemeint ist, muss man als Zuschauer hinnehmen oder glauben wollen. Man ist als Zuschauer einfach vor allem mit der Dechiffrierung beschäftigt und wird eben gerade nicht in das „Netz der Verwandtschaftsbeziehungen einer dysfunktionalen Großfamilie“ (so der Dramaturgentext) hineingezogen.

Auf der musikalischen Seite überraschte der für Pietari Inkinen eingesprungene Cornelius Meister beim berühmten Es-Dur-Vorspiel mit leisen, verhaltenen Tönen und einem äußerst flotten Tempo. Das klang am Anfang allerdings sehr verwaschen und auch kraftlos, manchmal, bei dem Auftritt der Riesen etwa, schon eher keck und musikantisch.

Zur großen Geste kam es spätestens bei Alberichs Fluch, den dieser bedauernswerte Kerl in Gestalt von Olafur Sigurdarson in Unterwäsche herausschleuderte. Er bekam später zurecht den meisten Beifall. Eine gesanglich profilierte Rollenausdeutung präsentierte auch Daniel Kirch als Loge, der weniger - wie sonst oft - zynische Überlegenheit sondern erregte Hitzigkeit ausstrahlte. Egils Silins wirkte nicht nur im Spiel, sondern auch stimmlich wie ein schon im "Rheingold“ resignierter Wotan, dem die Ideen ausgingen, blass und stimmlich rau Christa Mayer als Fricka, und matronenhaft auftrumpfend Okka von der Damerau als Erda.

Im besten Falle wird dieser alles im allem enttäuschende Beginn des neuen "Ring des Nibelungen" in Bayreuth sein szenisches Potenzial an den folgenden Abenden entfalten können.

Premiere: 31.07.2022

Besetzung:
Wotan: Egils Silins
Donner: Raimund Nolte
Froh: Attilio Glaser
Loge: Daniel Kirch
Fricka: Christa Mayer
Freia: Elisabeth Teige
Erda: Okka von der Damerau
Alberich: Olafur Sigurdarson
Mime: Arnold Bezuyen
Fasolt: Jens-Erik Aasbø
Fafner: Wilhelm Schwinghammer
Woglinde: Lea-Ann Dunbar
Wellgunde: Stephanie Houtzeel
Floßhilde: Katie Stevenson

Orchester der Bayreuther Festspiele

Musikalische Leitung: Cornelius Meister
Regie: Valentin Schwarz
Bühne: Andrea Cozzi
Kostüm: Andy Besuch
Dramaturgie: Konrad Kuhn
Licht: Reinhard Traub
Video: Luis August Krawen