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Gilda Sahebi, Shanlin Anwar und Shila Behjat

Verbotene Liebe – Wie Sexualität und weibliche Körper unterdrückt werden

Stand: 10.01.2025, 00:00 Uhr

Liebe ist für Iraner:innen ein fester Bestandteil - nicht nur ihres Privatlebens, sondern auch ihrer Kultur, ihrer Spiritualität und: ihrer Politik! Was Liebe mit Revolution zu tun hat bespricht Host Shanli Anwar gemeinsam mit den Journalistinnen Gilda Sahebi und Shila Behjat.

Liebe, Sex und Revolution - mit Gilda Sahebi und Shila Behjat

COSMO Iran im Herzen 10.01.2025 01:09:10 Std. Verfügbar bis 24.12.2035 COSMO Von Shanli Anwar


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Dass Liebe in Iran auch durchaus politisch ist, zeigt eine Zeile aus dem Song "Meydoone jang" vom iranischen Rapper Toomaj. Darin rappt er: "Unser Schwert ist Liebe". Der Song handelt davon, wie sich alle Menschen in Iran - unabhängig ihrer Ethnie oder ihres sozialen Status - für den Sturz des Mullah-Regimes vereinen: aus Liebe zu ihrem Land. 

Ganz viel der Sprache dieser Proteste ist eigentlich eine Sprache der Liebe. Die Menschen sprechen ganz viel von dieser Liebe für das Land, dass sie ganz viel aus der Liebe für die anderen Menschen heraus machen. Und das hat mich immer wahnsinnig ergriffen, dass der Beweggrund ganz stark diese Zuneigung ist und eben auch diese Liebe und Leidenschaft. Ich finde, das ist so ein starkes Merkmal dieser Proteste bis heute. Shila Behjat, Journalistin, Autorin und Moderatorin

Als sich die Studentin Ahoo Daryaei im November 2024 bis auf die Unterwäsche auszieht und so über den Campus ihrer Teheraner Uni läuft, sieht Journalistin Shila Behjat in dem mutmaßlichen Akt des Widerstands Parallelen zum mittlerweile berühmten Zitat der Französin Gisèle Pelicot: "Die Scham muss die Seiten wechseln." In der Art, wie Ahoo Daryaei ruhig und langsam über das Uni-Gelände schreitet und sich so den geltenden Bekleidungsvorschriften widersetzt, sieht Behjat den unausgesprochenen Aufruf, dass auch in Iran die Scham, die den Frauen aufgrund der Skandalisierung ihrer Körper aufgezwungen wird, die Seiten wechseln müsse.

Skandalisierung und Tabuisierung spielen auch in Sachen Sexualität eine zentrale Rolle in der iranischen Gesellschaft. 

Sexualität ist eine der ursprünglichsten, natürlichsten Emotionen und Bedürfnisse, die wir haben. Du musst so viel Gewalt aufbringen, um das aus Menschen zu vertreiben. Es geht ja gar nicht anders. Du musst Angst verbreiten, bedrohen, Gewalt ausüben, weil für uns Menschen, zumindest mit Ausnahmen, ist Sexualität ein Grundbedürfnis. Gilda Sahebi, Journalistin, Politikwissenschaftlerin und Ärztin

Auch in den iranischen Communities im Ausland erleben Menschen, die unverkrampft mit ihrem Körper, ihrer sexuellen Identität und Orientierung umgehen, häufig Vorbehalte und Ausgrenzung. Fotograf und Influencer Arya Shirazi ist schwul und hat lange mit sich gehadert, bis er sein Coming-Out hatte. 

Es ist so wichtig, einen Kreis zu haben, der so stabil ist, der einen so nimmt, wie man ist und, dass man nicht verurteilt wird. Ich bin so dankbar. Ich habe so eine tolle Familie hinter mir heute, die sich auch erstmal damit auseinandersetzen musste. Aber es ist heute so, wie es sein sollte. Sie waren auch auf meiner Hochzeit da. Die haben auch da getanzt! Arya Shirazi, Fotograf und Influencer 

Mehr über die Dating-Tricks von jungen Iraner:innen, feministische Vorreiterinnen und die Rolle von Liebe in der iranischen Dichtkunst und Spiritualität, erfahrt ihr in der neuen Folge von "Iran im Herzen". 

Porträt von Gilda Sahebi

Gilda Sahebi wurde 1984 in Iran geboren, wuchs aber seit ihrer frühen Kindheit in Deutschland auf. Die Politikwissenschaftlerin und ausgebildete Ärztin arbeitet als freie Journalistin. Ihre Themenschwerpunkte sind unter anderem Rassismus, Antisemitismus und Frauenrechte. Seit der "Frau Leben Freiheit"-Bewegung zählt sie zu den bekanntesten deutschsprachigen Stimmen zur Lage in Iran. Im März 2023 erschien "Unser Schwert ist Liebe", ihr Buch zur feministischen Revolution in Iran.

Porträt von Shila Behjat

Shila Behjat wurde 1982 in Karlsruhe geboren und ist Journalistin, Publizistin und Moderatorin. Als Tochter eines Iraners, der Anhänger der Bahai-Religion ist, hat sie eine enge Verbundenheit zur iranischen Kultur. Aktuell ist sie Redakteurin für Arte. In ihrer Arbeit befasst sie sich intensiv mit Feminismus. So hat sie unter anderem über das Leben der feministischen Vordenkerin Tahiri geschrieben. Im Mai 2025 erscheint ihr nächstes Buch: "Frauen und Revolution", in dem es auch um den weiblichen Protest in Iran gehen wird.