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Róisín Murphy: "Hit Parade"

Róisín Murphy: "Hit Parade"

"Hit Parade" – Außen Top-Hits, innen Geschmack

Stand: 11.09.2023, 00:01 Uhr

Róisín Murphy und DJ Koze sind ein "match made in heaven". Ihr Album "Hit Parade" vereint charakterstarken Gesang zwischen Soul und Pop mit einer eigenwilligen Produktion unter der Discokugel.

Von Marc Mühlenbrock

Róisín Murphy: "Hit Parade"

COSMO 11.09.2023 02:42 Min. Verfügbar bis 10.09.2024 COSMO


Eigentlich sollte Róisín Murphy in Feierstimmung sein. Sieben Jahre - mit Unterbrechungen - hat die Arbeit an "Hit Parade" gedauert. Nach den ersten Singles gab es viele Vorschusslorbeeren, jetzt kommt das Album endlich raus. Aber ein unbedachter Kommentar von ihr zu einem Medikament, das transsexuellen Menschen in der Pubertät helfen kann, hat ihr viel Kritik eingebracht. In Großbritannien und Róisíns Heimat Irland wird die Diskussion um die sogenannten Pubertätsblocker schon seit einiger Zeit mit zunehmender Schärfe geführt. Róisín Murphy hat reagiert und sich für ihren Kommentar entschuldigt.

Gala und Dada

Die Diskussion um Murphys Kommentar überschattet die Veröffentlichung ihres neuen Albums. Dabei ist "Hit Parade" musikalisch großartig geworden. Róisín Murphy hat dafür mit DJ Koze zusammengearbeitet – alleine schon deswegen waren die Erwartungen groß. Der Hamburger gilt weltweit als einer der angesehensten DJ-Producer. Er erschafft auf jedem seiner Alben einzigartige Sound-Universen – ob solo, mit dem Dance-Music-Trio International Pony oder unter seinem Experimental-Alias Adolf Noise. "Hit Parade" klingt nach Koze in Bestform: filigran, funky, verstrahlt und dabei gleichermaßen humorvoll und glamourös. Das passt perfekt zu Róisín, die mit ihren extravaganten Outfits immer zwischen Gala und Dadaismus schwebt.

Allein auf Ibiza

Róisín verwandelt Kozes feingliedrige, bisweilen kauzige Produktionsweise in große Popmusik. Sie singt mit samtweicher Stimme, die ab und zu angenehm kratzen kann – oder sich im amerikanischen Akzent übt, wie im Intro von "The Universe". Ein humoristischer Kunstgriff, genauso wie der Albumtitel, den Koze in Reminiszenz an vergangene Chartserfolge vorgeschlagen hat, die die beiden in den Neunzigern erleben durften: sie mit ihrer Ex-Band Moloko und dem großen Hit "Sing It Back", er mit dem Hamburger Hip-Hop-Kollektiv Fischmob. "The Universe" ist der einzige Song, an dem Koze und Róisín gemeinsam an einem Ort gearbeitet haben. Ansonsten verlief die Produktion auch wegen des Corona-Lockdowns remote. Aus dem Nachteil wurde am Ende ein Vorteil. Róisín sagt, sie habe die Gesangsparts deswegen allein in ihrem Haus auf Ibiza einsingen müssen und sich Harmonien und Spielereien getraut, die sie nie vor einem Produzenten gewagt hätte.

Soulsamples und Clubnacht

Für fast jedes ihrer bisher sechs Solo-Alben hat Róisín Murphy mit einem anderen Produzenten zusammengearbeitet. Es gab Verweise auf Italo Pop mit Produzent Eddie Stevens ("Hairless Toys", 2015) oder Post Punk Disco mit Dan Carey ("Róisín Machine", 2020). "Hit Parade" erinnert nun am ehesten an Róisíns Solo-Debut "Ruby Blue", 2005 produziert von Matthew Herbert, weil es ähnlich filigran und verletzlich klingt und viele Verweise zum orchestralen Soul de 70er Jahre beinhaltet. Die große Kunst von DJ Koze besteht darin, organische Soulsamples in elektronische Soundumgebungen zu verbauen. Das gelingt ihm meisterlich in den Singles "CooCool" und "Fader". "The House" ist ein exzellenter Sommerhit für die heißen Mittagsstunden, "You Knew" etwas für die Party in der Nacht unter freiem Himmel, und das abschließende "Eureka" ist wie gemacht für die leicht melancholische Afterparty im Morgengrauen. "Hit Parade" klingt nach Pop mit Edge, weil die Songs sich immer weiter verästeln, anstatt die Abzweigung Richtung Hitparade oder Großraum-Club zu nehmen.