Ford streicht wohl tausende Stellen in Köln
Stand: 24.01.2023, 12:30 Uhr
Der Ford-Betriebsrat kritisiert einen geplanten Abbau von bis zu 3.200 Stellen in der Verwaltung und der Fahrzeugentwicklung im Stadtteil Merkenich. Hintergrund ist die Umstellung der Produktion auf E-Autos in den USA. Deswegen könnten im Forschungszentrum Merkenich bis zu 2.500 von 3.800 Stellen abgebaut werden – mehr als die Hälfte aller Jobs in der Fahrzeugentwicklung.
Der Autobauer will nach Angaben der Gewerkschaft IG Metall Mitte Februar konkretere Pläne zu einem Stellenabbau präsentieren. Schon vorher wolle sich die Gewerkschaft am Samstag mit den Vertrauensleuten über das weitere Vorgehen abstimmen, sagte ein Sprecher der IG Metall am Dienstag.
In der Verwaltung müssen dem Betriebsrat zufolge rund 20 Prozent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gehen. Auch im Forschungszentrum in Aachen soll es Entlassungen geben. In Betriebsversammlungen wurden die Mitarbeiter über die Pläne des Unternehmens informiert. Sie kamen teilweise in Bussen an. Der Andrang war so groß, dass viele wieder weggeschickt werden mussten.
Die Stimmung in den Hallen schwankte zwischen Betroffenheit und lautstark geäußertem Zorn, berichten Mitarbeiter, die an der Versammlung teilgenommen haben. Vor allem deswegen, weil das Unternehmen selbst nichts zu den Plänen gesagt hat. Die schlechte Botschaft musste der Betriebsrat überbringen. Das sei ein Skandal, kommentierte der Betriebsratsvorsitzende Benjamin Gruschka.
Ford bestätigt den Stellenabbau nicht
Ford hat den Stellenabbau nicht bestätigt. In einer schriftlichen Stellungnahme teilt der Konzern mit, "die aktuellen Spekulationen über eine mögliche Umstrukturierung bei Ford in Europa" nicht kommentieren zu wollen.
Jedoch werde die komplette Umstellung auf Elektro-Fahrzeuge "erhebliche Veränderungen" mit sich bringen und auch Auswirkungen auf die zukünftige Organisationsstruktur haben. "Weitere Einzelheiten geben wir bekannt, sobald unsere Pläne final sind und wir unsere Belegschaft informiert haben", heißt es weiter.
Entwicklungszentrum laut Betriebsrat am stärksten betroffen
Im Entwicklungszentrum arbeiten bisher 3.800 Mitarbeiter. Sie haben die Modelle der Klein- und Mittelklasseautos entwickelt, die nun nach und nach eingestellt werden. Neue, ausschließlich elektrisch betriebene Modelle sollen in den USA entwickelt werden. Laut Betriebsrat wäre das Entwicklungszentrum damit quasi arbeitslos. Ein Teil der Sparmaßnahmen liegt innerhalb des Ford-Konzerns. Auch in der Verwaltung, im Ersatzteilzentrum und im Forschungszentrum in Aachen sollen Stellen wegfallen.
Mehrmals schon waren die Mitarbeiter zuletzt mit Einsparmaßnahmen konfrontiert. Zuletzt noch im Jahr 2020, als 5.400 Stellen in Deutschland weggefallen sind. Zu den Maßnahmen gehörte auch das beschlossene Ende der Fahrzeug-Produktion in Saarlouis. Das aber war noch nicht das Ende der Einsparungen bei Ford, wie jetzt offensichtlich wird.
Umbau für Elektroauto-Produktion
Derzeit werden die Produktionslinien im Kölner Werk für die Montage des ersten E-Modells umgebaut. In diesem Jahr soll der Wagen vom Band laufen, im kommenden Jahr ein zweites E-Modell folgen. Das Unternehmen will mit den neuen Modellen mehr Geld verdienen als mit den bisherigen Klein- und Mittelklasse-Modellen mit Verbrennungsmotor. Der in Köln gebaute Dauerrenner Fiesta wird deshalb ab Mitte 2023 nicht mehr produziert. Auch die komplette Automontage im saarländischen Saarlouis wird eingestellt.
Strukturen in ganz Europa auf dem Prüfstand
Der gesamte Ford-Konzern in Europa wird seit Jahren umgekrempelt. Und immer wieder werden massiv Stellen gestrichen. Mit 5.400 wegfallenden Stellen im Jahr 2020 schien das Ende der Einsparungen erreicht. Eine offensichtlich trügerische Hoffnung.
Automobilexperte sieht strategische Fehler bei Ford
Der Automobilexperte Stefan Bratzel sieht große strategische Fehler in der Ausrichtung des Unternehmens. Statt in die Entwicklung von Elektromobilität zu investieren, sei Ford immer mehr in preiswertere Fahrzeug-Segmente abgerutscht. Das Problem: verhältnismäßig geringe Margen bei zugleich hohen Lohnkosten für die Produktion in Deutschland. "Wenn die Stückzahlen dann irgendwann zu niedrig werden, kann man auch die Fixkosten für die Entwicklung einer großen Anzahl von Modellen nicht mehr vernünftig refinanzieren", so Bratzel.
Währenddessen seien andere in die Marktlücke gestoßen, zum Beispiel der Konkurrent Volkswagen. Dessen E-Mobilitäts-Plattform hatte Ford bislang für seine Plug-In-Hybride in Europa genutzt. Dass man den E-Mobilitäts-Trend zu spät erkannt habe, wolle man bei Ford jetzt korrigieren. "Grundsätzlich ist das eine positive Nachricht für Ford und auch für die Mitarbeiter, aber klar ist: Man braucht viel weniger Leute, wenn man die Entwicklung woanders macht und nicht in Köln", sagt Stefan Bratzel.
Über dieses Thema berichtete der WDR am 23.01.2023 in seinen Sendungen im Fernsehen und Hörfunk.