Symbolbild: Auf einem Schreibtisch steht ein Schild mit dem Schriftzug "Feierabend".

Griechenland führt Sechs-Tage-Woche ein - ein Modell für Deutschland?

Stand: 01.07.2024, 12:10 Uhr

Ab heute können Arbeitnehmer in Griechenland freiwillig sechs Tage in der Woche arbeiten - dafür gibt es kräftige Lohnaufschläge. Eine Lösung für den deutschen Fachkräftemangel?

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Schon jetzt werden die Griechen im europäischen Vergleich von ihren Arbeitgebern stark gefordert: Laut Statistikbehörde Eurostat stehen sie mit durchschnittlich 39,8 Arbeitsstunden in der Woche auf Platz eins der europäischen Rangliste. Zum Vergleich: Für Deutschland verzeichnet die Statistik nur 34 Wochenstunden.

Gesetz begünstigt Mehrarbeit

Mit einem neuen Gesetz, das zum 1. Juli in Kraft getreten ist, könnte sich der Abstand noch vergrößern. Ab sofort können griechische Unternehmen ihren Angestellten anbieten, sechs, anstatt bisher fünf Tage die Woche zu arbeiten. Das könnte sich für die Beschäftigten lohnen: Für den sechsten Arbeitstag erhalten sie einen Aufschlag von 40 Prozent mehr Gehalt, an Sonn- und Feiertagen soll es sogar 115 Prozent zusätzlich geben.

Griechenland führt Möglichkeit zur Sechs-Tage-Woche ein

WDR 5 Das Wirtschaftsmagazin - aktuell 28.06.2024 03:19 Min. Verfügbar bis 28.06.2025 WDR 5


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Angesichts der aktuellen Diskussion um den Fachkräftemangel wird das griechische Experiment in Deutschland sehr genau verfolgt. In Bayern empfahl Ministerpräsident Markus Söder (CSU) der deutschen Wirtschaft, sich ein Beispiel an Griechenland zu nehmen. Gleichzeitig forderte er zusätzliche Anreize für Mehrarbeit, zum Beispiel Steuerfreiheit für Überstunden - ein Vorschlag, der auch von der FDP unterstützt wird.

Demografischer Wandel: "Müssen mehr und länger arbeiten"

WDR 5 Morgenecho - Interview 25.06.2024 06:38 Min. Verfügbar bis 25.06.2025 WDR 5


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Tatsächlich könnten deutsche Unternehmen jederzeit mit ihren Arbeitnehmern eine Sechs-Tage-Woche aushandeln, wie Holger Schäfer vom Institut der Deutschen Wirtschaft im Gespräch mit dem WDR betont. "Vom Gesetz her ist das möglich. Wer das machen möchte, kann das mit dem Arbeitgeber vereinbaren."

"Wenn wir alle weniger arbeiten, produzieren wir auch weniger." Holger Schäfer, Wirtschaftswissenschaftler

Über kurz oder lang müssten sich die Deutschen mit dem Gedanken anfreunden, mehr zu arbeiten, um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zu sichern, meint Schäfer weiter. "Wenn wir das nicht machen, werden wir Wohlstand verlieren." Denn die Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland sinke von Jahr zu Jahr: Die "Babyboomer", also die geburtenstarken Jahrgänge zwischen 1950 und 1964, gehen in Rente. Bereits 2035 werden dem Arbeitsmarkt Schätzungen zufolge insgesamt 7 Millionen Kräfte fehlen.

Porträt von Holger Schäfer

Holger Schäfer

Allerdings gehe der Trend aktuell eher in die andere Richtung, so Schäfer. In einigen Unternehmen gebe es sogar Versuche, eine Vier-Tage-Woche einzuführen - auch, um neues Personal zu werben. Gesamtwirtschaftlich sei das eine schlechte Idee: "Wenn wir alle weniger arbeiten, produzieren wir auch weniger."

Diskussionen um die Vier-Tage-Woche

Diese Ansicht ist allerdings nicht unumstritten. Eike Windscheid-Profeta von der gewerkschaftlichen Hans-Böckler-Stiftung verweist auf positive Effekte kürzerer Arbeitszeiten. Arbeitnehmer würden seltener krank und seien insgesamt höher motiviert. Frühere Erfahrungen mit Arbeitszeitverkürzung in Deutschland hätten gezeigt, dass damit keine Wohlstandsverluste einhergehen, so Windscheid-Profeta.

Arbeitszeitexperte und Unternehmensberater Guido Zander meint hingegen, die Vier-Tage-Woche könnte in einzelnen Unternehmen und Branchen durchaus funktionieren. Allerdings laufe eine Maschine nicht automatisch schneller, nur weil jemand weniger arbeite und deshalb vielleicht motivierter sei. "Wenn ich eine sehr hohe Krankenquote habe und berechtigt glauben kann, dass die runtergeht, wenn ich eine Arbeitszeitverkürzung mache, dann ist das natürlich ein Gegenfinanzierungselement", sagte Zander dem SWR.

Unsere Quellen

Über dieses Thema berichtet der WDR am 01.07.2024 auch im Fernsehen, zum Beispiel in der "Aktuellen Stunde" um 18.45 Uhr.

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