Die europaweite Razzia gegen die Mafia-Organisation 'Ndrangheta zeigt, dass die geschäftstüchtige Organisierte Kriminalität auch in NRW ihr Unwesen treibt. So soll eine Eisdiele in Siegen als Geldwaschanlage und Unterschlupf der kalabrischen Mafia gedient haben.
Illegales Geld legal machen
Der Begriff Geldwäsche fällt im Zusammenhang mit der Mafia und anderen kriminellen Organisationen immer wieder. Doch was wird darunter eigentlich genau verstanden? WDR-Finanzexperte Ulrich Ueckerseifer erklärt: "Bei kriminellen Geschäften fällt in der Regel jede Menge Bargeld an. Koks wird beim Dealer ja nicht mit einer Banküberweisung bezahlt. Doch dieses Bargeld kann nicht einfach zur Bank gebracht werden. Es muss irgendwie zu legalem Geld werden." Genau dieser Prozess sei Geldwäsche.
Die Möglichkeiten, wie das abläuft, seien verschieden. Zur simplen Variante gehöre, mit dem illegal beschafften Geld eine teure Uhr zu kaufen und die dann weiterzuverkaufen. Prompt bekommt das Geld einen legalen Anschein. "Praktischer ist es, man hat ein eigenes Unternehmen und kann das Geld damit permanent waschen. Da ist der Klassiker die Pizzeria, der Kiosk oder neuerdings die Autowaschanlage", sagt Ueckerseifer. Die legalen Einnahmen des normalen Geschäfts vermischten sich dort mit dem illegalen Geld.
Ein simples Beispiel: Für jede tatsächlich verkaufte Pizza wird noch eine zweite Pizza angegeben, die niemals gebacken wurde. Das Geld in der Kasse für diese erfundene Pizza kommt aus dem illegalen Geld. Am Ende erscheint das illegale, dreckige Geld plötzlich sauber und legal. Die dubiose Herkunft ist verschleiert.
Beim Bundesfinanzministerium heißt es zur Geldwäsche: "Die Kriminellen nutzen Geschäftsfelder mit einem schwer nachvollziehbaren Geldmengenfluss, um die illegalen Einnahmen als 'echte' Umsätze zu verbuchen." Dazu eigneten sich zum Beispiel Wettbüros und Gastronomiebetriebe. Das gewaschene Geld könne dann im normalen Wirtschaftsverkehr genutzt werden.
Deutschland wohl Spitzenreiter bei Geldwäsche
Eine amtliche Statistik darüber, wie viel Geldwäsche in Deutschland stattfindet, gibt es natürlich nicht. Das liegt in der Natur der Sache. Finanzexperte Ueckerseifer verweist auf Schätzungen von 50 bis 100 Milliarden Euro, die jedes Jahr in Deutschland gewaschen würden. "Damit sind wir in Europa vermutlich Spitzenreiter."
Bargeldgrenze als Ausweg?
Ausgerechnet Deutschland soll also ein Paradies für Kriminelle sein, um illegales Geld zu waschen. Wie kann das sein? "Wir haben noch immer relativ laxe Regeln. So kann man zum Beispiel noch immer ziemlich unbegrenzt mit Bargeld bezahlen. Das geht in anderen Ländern längst nicht mehr." Nützlich wäre eine allgemeine Grenze von Bargeldzahlungen von zum Beispiel 10.000 Euro.
Ein anderes Problem sieht Ueckerseifer bei denen, die gegen die Geldwäsche kämpfen sollen. "Wichtig ist, dass es schlagkräftige Behörden gibt." Das sei noch immer nicht der Fall. So gebe es zu wenig Mitarbeiter und es seien zu viele verschiedene Behörden involviert. Immerhin tue sich etwas hin zu mehr zentralen Strukturen. So plane die NRW-Regierung ein Landesfinanzkriminalamt und die Bundesregierung ein Bundesfinanzkriminalamt. "Das ist alles erst einmal richtig. Ob es wirklich etwas bringt, wird man sehen."
Einladung für Organisierte Kriminalität
Durch die bislang zu laxen Regeln gegen Geldwäsche würden Kriminelle quasi nach Deutschland eingeladen. "Wir holen uns die Organisierte Kriminalität ins Land. Und wenn die erstmal da ist und bleibt, haben wir ein großes Problem. Das macht den Staat kaputt."
Auch andere stellen Deutschland ein schlechtes Zeugnis aus. So stellte die "Financial Action Task Force", das wichtigste internationale Gremium zur Bekämpfung von Geldwäsche, erst im vergangenen Jahr einen erheblichen Nachholbedarf fest. Zwar habe die Bundesrepublik in den letzten fünf Jahren positive Schritte unternommen. So sei die Koordinierung zwischen Bund und Ländern verbessert worden und in den wichtigsten Einrichtungen gebe es mehr Personal.
In bestimmten Bereichen brauche es aber noch erhebliche Verbesserungen. Dazu gehöre eine wirksame Beaufsichtigung des Privatsektors. Zudem brauche es für die Ermittler einfacheren Zugang zu Informationen über wirtschaftliches Eigentum. Und: Die Ermittlungen zu Geldwäsche sollten Priorität haben. Das scheint bislang also noch nicht der Fall zu sein.