Seit Ende des 19. Jahrhunderts wird das Wetter in Deutschland über Messstationen systematisch beobachtet. Demnach war der Frühling 2024 mit einer mittleren Temperatur von 11,4 Grad der wärmste seit 140 Jahren. Wer das Wetter, bei dem selbst der Hund nicht vor die Tür wollte, im Mai jedoch durch das Küchenfenster beobachtet hat, geht mit einem etwas anderen Eindruck in den Sommer.
Mai war überdurchschnittlich nass
Der Mai 2024 war vor allem sehr nass: Es regnete fast doppelt so viel wie im langjährigen Mittel.
WDR-Wetterexperte Jürgen Vogt sagt: Der "überdurchschnittlich nasse Mai" trübt den Eindruck, aber "mit dem warmen April und vor allem dem rekordwarmen März landete die gesamte Jahreszeit auf Platz eins".
Zudem weist Vogt auf die regional sehr großen Unterschiede hin: "Besonders viel Sonne gab es im Münsterland vor allem im von vielen nassgeredeten Mai – mit fast neun Stunden pro Tag." Insgesamt ging das Frühjahr allerdings sehr feucht zu Ende - bei wiederholten Gewittern und Wolkenbrüchen in Geldern, Heinsberg, Erkelenz und auf der Dahlemer Binz etwa fiel im Mai mehr als das Dreifache der sonst üblichen Regenmengen.
Mit Blick auf diese Regenmenge mag der eine oder andere neue Hoffnung mit Blick auf den Klimawandel schöpfen, doch die muss Vogt enttäuschen - die Welt werde eben nicht zwangsläufig trockener: "Wir werden wahrscheinlich immer wieder längere Trockenphasen erleben. Insgesamt aber kann wärmere Luft auch mehr Luftfeuchtigkeit aufnehmen - die dann als Wasser abregnen kann. Das heißt, unsere Welt wird nicht überall, aber verbreitet eher nasser als trockener."
Schlechtes Wetter bleibt im Gedächtnis
Trotz des verregneten Eindrucks, den der Wonnemonat hinterlassen hat, war er "gemessen wärmer als gefühlt" und lag auch über dem Schnitt: "Bei dieser Wärme spielt der Sonnenschein eine eher untergeordnete Rolle, sondern vor allem die wärmeren, dabei durchaus auch feuchten Luftmassen", erklärt der Wetterexperte.
Dass der eine oder andere trotz der objektiv gemessenen Wärme subjektiv vom Mai enttäuscht ist, hat viel mit Wahrnehmung zu tun, die sich von Zahlen nur bedingt beeindrucken lässt: "Wir sind stärker auf negative Sachen fokussiert und speichern sie besser im Gedächtnis", sagt der Psychologie-Professor Rolf van Dick von der Frankfurter Goethe Universität.
Der Fokus auf Negatives sei nicht zuletzt evolutionär bedingt, weil die daraus resultierende Vorsicht ein Garant des Überlebens sei. Zudem mache es auch einen Unterschied, ob man einen sonnigen Tag im Büro verbringe oder einem der Starkregen den lange geplanten Ausflug am langen Wochenende vermiest. Besser im Gedächtnis haften bliebe Letzteres.
Obstbauer Felten hat mit Erdbeertunneln vorgesorgt
Weder der Fokus auf negatives noch gefühltes Wetter spielen dagegen für den Meckenheimer Obstbauern Manfred Felten eine Rolle. Er ist seit 40 Jahren im Geschäft und hat von Totalausfällen bis hin zu Rekordernten alles erlebt: "Wenn es jetzt trocken wäre, hätten wir eben andere Probleme."
Sicher sei es unschön, dass ein Teil seiner Freilanderdbeeren nun im Wasser läge und mehr als sonst wohl nicht den Weg ins süße Dessert schaffen, aber durch seine geschützten, weil überdachten Erdbeertunnel auf der Hälfte der Anbaufläche, sei er nicht ganz unvorbereitet gewesen.
Da habe ihn der überraschende Frost im April mit Blick auf die Apfelernte härter getroffen: "Das ist der größte Verlust für uns. Das wird ein Schaden von über 70 Prozent", so Felten. Das sieht er indes genauso gelassen wie die Flut an Schnecken, die ihn auf dem Rad beim Abfahren seiner Felder gerade zum Slalomfahren zwingen. Er freut sich lieber auf eine reiche Süßkirschen-Ernte: "Die sind auch unter einem Dach. Man muss das Positive sehen", sagt Felten.
Landwirte hoffen auf lange Trockenphase ohne Starkregen
Unabhängig von gefühlten Wettereindrücken und regional stark betroffenen Landwirten wie Manfred Felten überwiegt das Positive nach diesem Frühjahr: "Bei der Erdbeerente sind Prognose und Qualität gut. Wenn es viel regnet, muss man eben stärker sortieren", sagt Jan-Malte Wichern, Sprecher der NRW-Landwirtschaftskammer.
Ein echtes Problem sei der Regen jedoch mit Blick auf die Befahrbarkeit der Anbauflächen. Die sei bei sehr weichen Böden schwierig, sodass sich etwa Pflege- und Düngemaßnahmen verzögerten. Auswirkungen auf Ernten bei Zuckerrüben, Mais oder Kartoffeln, die allesamt später als üblich in die Erde gekommen seien - ließen sich aber noch nicht vorhersagen.
Um letztlich auf die "Wettermischung" zu kommen, die es für gute Ernten braucht, hat Wichern nach dem verregneten Mai einen Wunsch: "Wir wünschen uns jetzt längere Trockenphasen und keine Starkregenereignisse." Das ist sicher auch im Sinne derjenigen, die das Wetter im Mai "gefühlt" zu häufig durch das Küchenfenster beobachtet haben.
Unsere Quellen:
- WDR-Wetterredaktion
- Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen
- Gespräch mit Professor Rolf van Dick
- Gespräch mit Obstbauer Manfred Felten