Prozess um misshandelte Flüchtlinge: Zwei Jahre Bewährung für Wachmann

Stand: 17.09.2024, 19:46 Uhr

Im letzten Verfahren um misshandelte Flüchtlinge in der ehemaligen Unterkunft in Burbach im Siegerland hat das Siegener Landgericht heute einen Wachmann verurteilt. Ihm wurden Körperverletzung und Freiheitsberaubung in 18 Fällen vorgeworfen.

Von Gaby Rosenkranz

Der Verurteilte bekommt zwei Jahre Haft auf Bewährung. Der 36-Jährige hat unter anderem einen Flüchtling mit einem Schlagstock und Pfefferspray misshandelt und ihn mit Kollegen tagelang im sogenannten Problemzimmer eingesperrt und dort verletzt liegen gelassen.

Angeklagter rammte Flüchtling Stiefel in Nacken

Er ist auch derjenige, der auf dem Foto zu sehen ist, das um die Welt ging und selbst in der New York Times veröffentlicht wurde. Darauf rammt er dem auf dem Boden liegenden Flüchtling seinen Stiefel in den Nacken. Durch dieses Foto und ein Video wurde der Skandal um misshandelte Flüchtlinge in der Burbacher Unterkunft 2014 bekannt.

Der Angeklagte hat vor Gericht die Taten gestanden und Reue gezeigt, so die Richter. Deshalb gab es schon am Dienstag das Urteil, das eigentlich erst für Ende September vorgesehen war.

Mit 38 Angeklagten einer der größten Prozesse

Nach gut vier Jahren Ermittlungen begann Anfang November 2018 der Prozess gegen 38 Personen, darunter Wachleute und Sozialbetreuer. Die Anklage umfasste mehr als 30.000 Blatt Akten. Es war einer der größten Prozesse in Deutschland.

14 Urteile sind schon vor dem Urteil am Dienstag gefallen, darunter drei Haftstrafen, alle auf Bewährung. Die zuvor höchste, mit einem Jahr und drei Monaten, bekam der ehemalige Leiter der Unterkunft wegen Freiheitsberaubung in 33 Fällen. Der Rest sind Geldstrafen, sechs Freisprüche und drei Einstellungen.

Flüchtlinge weg - Verurteilungen schwierig

Die Beweisaufnahme war schwierig. Viele Bewohner, die als Zeugen aussagen könnten, sind nicht mehr auffindbar, einige ins Ausland verschwunden.

Wenn ich zum Beispiel Personen habe, die sich ins Ausland abgesetzt haben und die auch gegenüber den Medien erklärt haben, sie möchten nie wieder nach Deutschland, sie wollen mit diesem Verfahren nichts mehr zu tun haben, wir als Staatsanwaltschaft, auch das Gericht, wir haben keine Möglichkeit zu sagen, wir fliegen eben mal in ein anderes Land, fesseln den Zeugen, den wir brauchen, nehmen ihn mit ins Flugzeug und fliegen wieder zurück nach Deutschland. Christian Kuhli, Staatsanwalt über das schwierige Verfahren

Ermittlungsteams seien durch ganz Deutschland gereist, um Zeugen zu finden. 30 bis 40 Bewohner waren am Ende in der Hauptverhandlung, von denen sich viele nicht mehr erinnern konnten.

Land NRW verschärfte Einstellungsmaßnahmen

Die Ursachen für die Missstände lagen offenbar darin, dass zu viele Flüchtlinge in Burbach aufgenommen worden sind und es viel zu wenig Wachpersonal gab.

Der Prozess hatte dazu geführt, dass sich die Qualitätsstandards und die Kontrollen bei Aufnahmeeinrichtungen erheblich verbessert haben. Das Land NRW hatte bereits im Laufe des Burbachprozesses die Einstellungsbedingungen für Wachleute zum Beispiel drastisch verschärft. Personal soll besser vorbereitet werden und qualifizierter sein.

Unsere Quellen:

  • WDR-Reporterin vor Ort
  • Staatsanwaltschaft Siegen
  • Landgericht Siegen

Wachmann einer Flüchtlingsunterkunft wegen Misshandlungen angeklagt WDR Studios NRW 17.09.2024 00:47 Min. Verfügbar bis 17.09.2026 WDR Online