Sekou Sidibe weiß nicht, was er sagen soll. Schüchtern geht der 24-Jährige auf die 20 Menschen zu, die vor dem Leverkusener Rathaus auf ihn warten. Fast alle haben ein Plakat in der Hand. Darauf steht: "Sekou muss bleiben."
Gleich daneben ein Foto von Sekou, wie er auf einem Dach arbeitet. Der Dachdecker-Lehrling ist gerührt. "Ich fühle mich sehr unterstützt, dass all die Leute wegen mir gekommen sind", sagt er. "Ich bin sehr dankbar.“
Eine Woche Aufschub
Sekou Sidibe hat an diesem Tag (16.09.) einen Termin in der Ausländerbehörde. Er soll abgeschoben werden. Wenn er gleich das Rathaus betritt, können ihn die Beamten direkt verhaften lassen. So wie sie es bereits vor drei Wochen getan haben.
Demoteilnehmerin Susanne Puck findet diese Vorstellung "unerträglich". "Mir wird schlecht bei dem Gedanken, dass der Junge nach Hause muss", sagt sie. "Wir brauchen doch Dachdecker", ergänzt Rita Eschbach. Sekou selbst hat große Angst: "Ich kann oft nicht schlafen, weil ich nicht weiß, was die jetzt mit mir machen."
Flucht aus Guinea
Der 24-Jährige stammt aus Guinea und ist 2018 als Asylbewerber nach Leverkusen gekommen. Sein Asylantrag wurde 2020 abgelehnt. Da er keinen Pass besaß, konnte Sekou nicht abgeschoben werden. Bruno und Sabine Hentschel aus Langenfeld kennen Sekou seit sechs Jahren.
Sekou wollte Dachdecker werden. Mit Erlaubnis der Ausländerbehörde hat er 2022 eine Ausbildung bei Dachdeckermeister Abbas Süren begonnen. "Sekou ist zuverlässig, fleißig und pünktlich", so Süren. Er möchte ihn nach der Ausbildung fest übernehmen.
Identitätsklärung mit Ersatzausweis
Während seiner Ausbildung versucht Sekou, von der Botschaft Guineas einen Pass zu bekommen. Der ist wichtig, um langfristig hier bleiben und arbeiten zu dürfen. Aber sobald ein abgelehnter Asylbewerber einen Pass vorlegt, kann er auch abgeschoben werden. Im Frühjahr 2024 bekommt Sekou von der Botschaft eine Art Ersatzausweis und legt ihn der Ausländerbehörde vor.
Am 27. August 2024 hat er einen normalen Termin, um seine Aufenthaltsgenehmigung zu verlängern. Plötzlich stehen mehrere Polizeibeamten vor ihm, nehmen ihn fest und fahren ihn in das Abschiebegefängnis nach Büren.
Verzweifelt ruft er Sabine und Bruno Hentschel an. "So habe ich Sekou noch nie erlebt. Er hat nur noch geweint", sagt Sabine Hentschel. "Ich hatte riesengroße Angst", gesteht Sekou. "Ich konnte nur noch weinen."
Abschiebung scheitert
Die Stadt Leverkusen erklärt hierzu, die Abschiebung sei rechtlich in Ordnung gewesen: "Der Abschiebung von Herrn Sekou Sidibe geht ein langjähriger Prozess voraus. In diesem ist Herr Sidibe nach rechtskräftiger Ablehnung seines Asylantrags im Jahr 2020 seinen Mitwirkungspflichten in Bezug auf die Beschaffung von Reisedokumenten auf mehreren Ebenen nicht oder nur sehr zögerlich nachgekommen, so dass eine Abschiebung, trotz vollziehbarer Ausreisepflicht, nicht möglich war."
Antrag bei Härtefallkommission des Landes NRW
Am 29. August sitzt Sekou Sidibe mit drei Polizisten und einem Arzt im Flieger nach Guinea. Doch die Behörden dort lassen ihn nicht einreisen. Wieso nicht, ist bis heute unklar. "Der Minister wollte am Flughafen wissen, was ich in Deutschland gemacht habe. Ich habe gesagt, dass ich nichts gemacht habe, nur meine Ausbildung. Da hat er mir ein Ticket gekauft und mich zurückgeschickt", erzählt Sekou. Die Ausländerbehörde in Leverkusen verlangt nun von ihm, das Land freiwillig zu verlassen.
Sein Anwalt hat jetzt einen Antrag bei der Härtefallkommission des Landes NRW gestellt. Die Entscheidung der Kommission ist aber "nur" eine Empfehlung. Das letzte Wort hat die Ausländerbehörde.
Eine Woche Verlängerung
Bei seinem aktuellen Termin am 16.09. bekommt Sekou erneut nur eine Bescheinigung für eine Woche. Er ist traurig. Während seiner Ausbildung stand er finanziell auf eigenen Füßen. Jetzt darf er nicht mehr arbeiten und ist auf staatliche Gelder angewiesen. Gezwungenermaßen. Das hat er alles nicht gewollt.
Unsere Quellen:
- Sekou Sidibe
- Sabine und Bruno Hentschel
- Abbas Süren
- Demo-Teilnehmer
- Stadt Leverkusen