Die Untersuchung weist Genn "kein konkretes Versagen im Einzelfall" nach. Der Verantwortung seines Amtes sei er aber dennoch nicht in ausreichendem Maße nachgekommen, so Heike Dill vom Münchener Institut IPP, das die Studie zur Aufarbeitung des Missbrauchs im Bistum seit 1958 erstellt hat. Die Wissenschaftler listen mehrere Fälle auf, in denen Genn nicht konsequent eingeschritten sein soll.
"Nicht konsequent eingeschritten"
So wird ihm vorgeworfen, er habe sich nicht darum bemüht, sich ausreichend über ehemalige Sexualstraftäter unter den Priestern im Bistum Essen zu informieren. Das Gutachten beschreibt auch einzelne Fälle und das Handeln Genns dabei.
Ein Beispiel ist der mehrfach verurteilte pädophile Priester A., der zweimal wegen Kindesmissbrauch inhaftiert war. Im Bistum Essen war das bekannt, Genn hatte aber offennbar dafür gesorgt, dass A. in einer Gemeinde in Wattenscheid weiter tätig sein konnte, obwohl sich der Personalrat im Bistum dagegen entschieden hatte.
Im Fall eines 12-jährigen Mädchens, das Opfer sexuellen Missbrauchs geworden war, soll Genn sich in einem Brief an die Eltern gewandt haben. Darin hieß es, er hoffe, die Familie könne auch die eigenen "möglicherweise kleinen oder größeren Anteile am Zustandekommen der unguten Situation sehen und sich damit kritisch auseinandersetzen und dass Sie selbst auch Wege der Versöhnung suchen und gehen".
Desinteresse an der Schuld der Täter?
Wenig Mitgefühl für die Opfer? Desinteresse an der Schuld der Täter? Persönlich kann sich Bischof Felix Genn zu diesen Vorwürfen derzeit nicht äußern. Er befindet sich auf einer Auslandsreise in Ghana.
Als Bischof von Münster hatte er sich immer wieder auf die Seite der Opfer gestellt und versprochen, sich für vollständige Aufklärung einzusetzen. So hatte er sich nicht zuletzt im vergangenen Sommer für den Umgang mit Tätern und Betroffenen entschuldigt, als die Missbrauchstudie für das Bistum Münster veröffentlicht wurde.