Der münstersche Rat hat am Montagabend (15.06.2020) den Chef der städtischen Wirtschaftsförderung, Thomas Robbers, abberufen. Er soll privaten Umgang mit dem Hauptverdächtigen im Missbrauchsfall gepflegt haben. Der Rat der Stadt Münster traf diese Entscheidung per Dringlichkeitsbeschluss der Vorsitzenden der Ratsfraktionen. Strafrechtlich relevante Vorwürfe gegen Robbers gibt es nach Angaben der Staatsanwaltschaft und der Stadt nicht.
Familie des Hauptverdächtigen nutzte Ferienhaus
Der Wirtschaftsförderer soll dem Hauptverdächtigen im Missbrauchsfall und seiner Mutter seine Ferienwohnung in Belgien zur Verfügung gestellt haben. Nach WDR-Informationen sollen der 27-jährige IT-Techniker aus Münster und seine 45-jährige Mutter, eine Erzieherin, diese Wohnung mehrfach genutzt haben. Auch das Opfer, der zehnjährige Stiefsohn des Hauptverdächtigen, soll sich dort aufgehalten haben.
"Von den Tatvorwürfen haben wir nichts gewusst"
Dem WDR sagte Robbers, er kenne die beiden Tatverdächtigen gut, er hätte ihnen die Wohnung kostenlos überlassen. Allerdings: Von den Tatvorwürfen habe er nichts gewusst und das zehnjährige Opfer nie gesehen. "Wir konnten nichts erkennen, sonst hätten wir das nicht angeboten" , sagte der Wirtschaftsförderer wörtlich. Er habe die Staatsanwaltschaft von sich aus informiert und Mithilfe angeboten. Nach WDR-Informationen soll der 27-jährige Hauptverdächtige im Missbrauchsfall Robbers häufiger privat besucht haben. Er soll auch für Robbers in dessen Wohnung in Belgien IT-Technik eingebaut haben.
Stadt zieht Konsequenzen
Für die Abberufung gab es nach WDR-Informationen zwei Gründe: Robbers soll die Stadt erst drei Tage nach Bekanntwerden des Missbrauchsfalls über seine private Verbindung zu dem 27-jährigen Hauptverdächtigen im Missbrauchsfall informiert haben, und das nach WDR-Informationen auch nur beiläufig, in einem Gespräch mit Münsters Oberbürgermeister Markus Lewe. Dabei soll Lewe Robbers auch aufgefordert haben, sechs Fragen zu dieser privaten Verbindung zu beantworten. Dem ist Robbers nach WDR-Informationen aber nicht nachgekommen. Mündlich soll er erklärt haben, dass der 27-Jährige sich vier Mal in seinem Ferienhaus in Belgien aufgehalten habe. Der Empfehlung, all dieses offen und offensiv nach Außen zu kommunizieren, soll Robbers nicht gefolgt sein.
Die Stadt Münster erklärte am Montag (15.06.2020) in einer Pressemitteilung, die Gründe für die Abberufung würden zum Schutz der Privatsphäre Dritter nicht öffentlich gemacht. Auch am Dienstag (16.06.2020) hielt sich die Stadt bedeckt. Auf WDR-Nachfrage teilte sie schriftlich mit: "Die Stadt Münster möchte eventuelle Kenntnisse über mögliche private Beziehungen eigener Mitarbeiter oder der Mitarbeiter von Unternehmen in städtischer Eigentümerschaft oder Miteigentümerschaft (...) weder öffentlich darstellen noch öffentlich kommentieren." Weiter hieß es: "Die Stadtspitze hatte in der vergangenen Woche Kontakt mit der Staatsanwaltschaft."
Münsters Oberbürgermeister wollte sich bislang öffentlich nicht äußern. Der Vorsitzende der SPD-Opposition im münsterschen Stadtrat, Michael Jung, der an der Entscheidung beteiligt war, teilte am Dienstag (16.06.2020) in einer Pressemitteilung mit: "Die (...) per Dringlichkeitsentscheidung vollzogene Trennung von Dr. Thomas Robbers war absolut zwingend angesichts des entstandenen Vertrauensschadens."
Fünf Verdächtige in Untersuchungshaft
Der Hauptverdächtige im Missbrauchsfall soll im April 2020 zusammen mit drei anderen Männern in einem Schrebergarten in Münster zwei Jungen im Alter von fünf und zehn Jahren über Stunden vergewaltigt und die Tat gefilmt haben. Die Männer sitzen inzwischen in Untersuchungshaft. Der Schrebergarten gehört der Mutter des 27 Jahre alten Hauptverdächtigen. Sie sitzt ebenfalls in Untersuchungshaft.