Stecker aus Espelkamp in russischen Raketen

Stand: 14.04.2023, 11:32 Uhr

Steckverbindungen haben etliche Verwendungsmöglichkeiten. Sie sind millionenfach in Schaltschränken oder PCs zu finden. Auch für Raketen werden sie benötigt. Im Fall von russischen Raketen, die auf die Ukraine abgeschossen wurden, konnten jetzt solche Steckverbindungen aus OWL nachgewiesen werden.

Von Uwe Pollmann

Im Fokus steht dabei das Familienunternehmen Harting in Espelkamp im Kreis Minden-Lübbecke. Steckverbindungen der Technologiefirma haben britische Militärexperten in einer russischen Rakete vom Typ Iskander 9M727 entdeckt, berichtet das Wirtschaftsmagazin „Capital“. Diese Waffe setzt Russland auch beim Angriffskrieg gegen die Ukraine ein.

Harting habe auch nach Kriegsbeginn Bauteile im Wert von 13,6 Millionen US-Dollar an Russland geliefert; auch an Unternehmen des militärisch-industriellen Komplexes. Die russische Regierung suche händeringend im Ausland nach Komponenten für die Waffenproduktion, heißt es weiter in dem Bericht.

Harting: Produkte sind nicht für militärische Verwendung gedacht

Harting wehrt sich gegen den Vorwurf, Sanktionen gegen Russland nicht eingehalten zu haben. Man habe keinen Einfluss, wie und wo die Produkte eingesetzt werden:

„Harting stellt mehr als 30.000 Standardprodukte her. Darunter ist kein einziges, das gezielt für die militärische Verwendung gedacht ist. Der Großteil der Komponenten von Harting sind Produkte, die auf vielfältigste Weise genutzt werden.“ HARTING Presse-Team

Es seien „keine Raketenteile“, sondern „millionenfach hergestellte, standardisierte RJ45-Ethernet-Kabelverbindungen“. Diese seien weltweit in PCs, Schaltschränken oder in der Gebäudeautomation zu finden.

Steckerhersteller hat Lieferungen erst Dezember eingestellt

Eine Steckverbindung der Firma Harting. | Bildquelle: WDR

Die Espelkamper Firma habe sich an alle Sanktionen gegen Russland gehalten. Nach Beginn des Angriffskriegs auf die Ukraine betreibe man einen „erheblichen Aufwand, damit die Produkte nur in zivilen Anwendungen verwendet werden“.

Allerdings bestätigt das Unternehmen auch, dass erst im Dezember 2022, also erst ein dreiviertel Jahr nach Kriegsbeginn, sämtliche Lieferungen in das Land eingestellt wurden. Bis dahin sei man „Lieferverpflichtungen der russischen Tochtergesellschaft“ nachgekommen.

Bis zum Angriffskrieg war Russland ein durchaus lukrativer Markt für das Espelkamper Unternehmen, mit seinen rund 6.500 Mitarbeitenden weltweit. Bereits 1993 eröffnete es die Tochtergesellschaft in Sankt Petersburg. Sie ist eine von 14 Produktionsstätten und Niederlassungen in 44 Ländern.

Sanktionen immer noch eine Grauzone

Für Prof. Dr. Julian Hinz vom Forschungszentrum Handelspolitik am Kieler Institut für Weltwirtschaft sind die Sanktionen immer noch eine „Grauzone“. Offiziell würden keine sanktionierten Güter nach Russland gelangen, so der Experte für Globalisierung.

Sollten sie dennoch ihren Weg da hin finden, „muss nachvollzogen werden, wie das passiert“ - damit die Sanktionen optimiert werden könnten. Allerdings seien Umwege über andere Länder bisher kaum zu verhindern: „Wenn genug Geld bezahlt wird, kommen auch sanktionierte Güter nach Russland.

Phoenix Contact hat russisches Geschäft sofort eingestellt

Harting zählt neben Weidmüller in Detmold und Phoenix Contact in Blomberg zu den drei großen deutschen Steckerproduzenten.

Das Blomberger Unternehmen hat nach eigenen Angaben allerdings „bereits zu Kriegsbeginn Februar 2022 mit einem sofortigen und umfassenden Lieferstopp unserer Produkte reagiert“. Auch alle „Finanztransfers“ seien eingestellt worden:

„Zum 17. Mai 2022 hat Phoenix Contact seine Produktions- und Vertriebsgesellschaft in Russland veräußert und hat damit jegliche Geschäftsaktivitäten in dem Land eingestellt.“ Phoenix Contact Presse-Team

Auch Weidmüller in Detmold hat damals alle Lieferungen "umgehend" gestoppt: "Auch die Geschäftstätigkeit der russischen Weidmüller-Tochtergesellschaft inklusive Produktion und Vertrieb wurde eingestellt", heißt es. Es habe auch umfangreiche Vorkehrungen gegeben, "dass nach Exportkontrollrecht sogenannte 'Umgehungstatbestände', also Lieferungen insbesondere über Anrainerstaaten wie Armenien und Kasachstan sowie China oder die Türkei, verhindert werden".